Dienstag, 26. Juni 2018

Ab nach Westen...

Wieder ein perfekter Sommertag: stabiles Wetter, etwas Bise und maximal 25 Grad! Die schöne und angenehm temperierte Wetterphase will ich unbedingt nutzen, zumal in der Mittelfrist bereits wieder schwüles Gewittergedöns und Hitze angekündigt sind. Dann werden für mich keine grossen Sprünge mehr drin liegen. Um 08.30 Uhr startet der vierte Einsatz des neuen 2018er-Bikes bei moderaten 15 Grad. Meine Inspiration, sprich Zugrichtung, ist im Moment westlich orientiert. Genau wie beim Wetter könnte sich das aber bald ändern. Zuerst geht es in nordwestlicher Richtung an die Aare, dann fast schon beharrlich gen Westen. Zu meinem Erstaunen blühen schon die ersten Sonnenblumen. Irgendwie geht heuer alles so schnell...
 
Die Strecke gleicht zu Beginn derjenigen der Bielersee-Tour vom 19. Juni 2018. Oberhalb von Bettlach enden dann jedoch allfällige Gemeinsamkeiten. Hier fahre ich relativ steil hinauf Richtung Bettlachberg und komme sofort gehörig ins Schwitzen. Die Temperatur ist zwar noch angenehm, doch die Sonne heizt ziemlich ein. Der Schweiss zieht verschiedene liebens- wie auch merkwürdige Tierchen an. Vielleicht handelt es sich teilweise um aus fernen Landen importierte Exemplare. Jedenfalls fliegen mir hier Insekten um die Ohren, die wohl selbst Andreas Moser noch nie gesehen hat. Unterhalb des Bettlachbergs biege ich auf gut 900 m links ab, und die Steigung wird deutlich bescheidener. Durch die Ebenimatt geht es Richtung Stierenberg und weiter zum Wäsmeli unterhalb des Grenchenbergs...
 
Nach kurzer Abfahrt auf relativ breiter Naturstrasse fahre ich weiter bergwärts zum Bürenkopf. Der Forstweg geht am Schluss in einen mässig ansteigenden Singletrail über, der sich auf gut 1200 m auf einer Wiese im Niemandsland verliert. Das Gatter, das man hier öffnen muss, ist gewissermassen das Tor zum Berner Jura – befindet es sich doch direkt an der Kantonsgrenze. Ein kaum erkennbarer Weg führt hinab zum Oberen Bürenberg. Nochmals ein paar Höhenmeter aufwärts, dann verläuft der Weg auf knapp 1300 m einige Kilometer über die Montoz-Hochebene. Hier oben kommt man mit "Bonjour" und "Grüessech" etwa gleich weit. Viele Leute sind Bilingue. Verdursten muss man auch nicht: Regelmässig kommt man an einem Restaurant vorbei...

Frühe Sonnenblumen
Finde den Weg beim Grenchenberg
Montoz-Hochebene auf ca. 1280 m

Beim Werdtberg folgt eine etwas längere Abfahrt auf Wegen sämtlicher Beschaffenheit: Zuerst ein flüchtiger Wiesenpfad, später ein bachbettartiger Singletrail, ein Forstweg und der Rest auf Teer – so erreiche ich Tavannes, wo eine kurze Pause ansteht. Die nächste Steigung nach La Tanne folgt prompt, und nach kurzem Downhill streife ich Tramelan. Via Les Reussilles geht es erneut bergwärts. In dieser Gegend wird ziemlich fleissig geheut. Hoffentlich reagiert mein Körper sportlich darauf und nicht allergisch. Es ziehen allmählich einige Wolken auf. Mehr als Zierde werden diese aber kaum sein, die Luft ist zu trocken und der Himmel entsprechend tiefblau. Ein Sommertag par excellence. Der Boden ist furztrocken, die Traktoren wirbeln ordentlich Staub auf...
 
Auf einem wurzeligen Singletrail geht es wieder ein wenig hinab und schliesslich nahe La Chaux-des-Breuleux in den Kanton Jura. Hier folge ich längere Zeit der Mountainbike-Beschilderung. Mit leichtem Auf und Ab, vorbei an Einzelhöfen und durch die typischen Fichtenwälder, fahre ich meist auf Naturstrassen und Wiesenpfaden durch die Freiberge Richtung Westen. Nicht unbedingt bike-, aber pferdefreundlich ist die Route mit speziellen Weidetoren, die man auf dem Pferd sitzend öffnen kann und sich danach von selbst wieder schliessen. Die Landschaft wird irgendwie immer einsamer. Das Dorf Les Bois taucht zwar bereits auf dem GPS-Gerät auf; es muss also schon sehr nah sein. Dennoch ist weit und breit kaum ein Haus zu sehen. Das ändert sich jedoch, als ich über eine Kuppe fahre...

Tavannes
Unterwegs bei Les Breuleux
Unterwegs bei Chaux d'Abel
Bald müsste Les Bois zu sehen sein
Da erscheint es: Les Bois
Les Bois
 
Nach exakt 84 Kilometern ist das Tagesziel, Les Bois, erreicht. Oder Rudisholz, wie meine deutschsüchtige Kartensoftware das Dorf nennt. Hier muss ich unbedingt die Trinkvorräte auffüllen. Als die Kassiererin im Dorfladen CHF 27.50 für die drei Halbliterfläschchen verlangt, wünsche ich mir, meine Französischkenntnisse wären besser. Doch bevor ich mich zu einem "ça coûte cher" durchringen muss, bemerkt die Frau den Fehler und korrigiert auf CHF 4.50. "Bonne journée" und "pareillement" habe ich hingegen voll drauf und verlasse den Laden wieder. Les Bois ist die westlichste und südlichste Gemeinde des Kantons Jura und sorgt zusammen mit La Chaux-de-Fonds dafür, dass dem Kanton Bern seit knapp 40 Jahren etwa 200 Meter zum Grenzkanton fehlen...

Obwohl mir Les Bois gefällt, ist auch heute eher der Weg als das Ziel das Ziel (oder so ähnlich). Es scheint, als hätte das auf 1034 m gelegene Dorf auch schon bessere Zeiten erlebt. Zahlreiche Schilder mit der Aufschrift "à louer" oder "à vendre" sind vor den Lokalitäten zu sehen. Nach der Pause fahre ich durch die einsame Landschaft zum Hof Le Bousset, dann folgt die Steigung zum Mont-Soleil, wo sich sprichwörtlich (fast) alles um die Windkraft dreht. Sinnigerweise gibt es auf dem Sonnenberg aber auch ein Solarkraftwerk. Auf 1291 m ist der höchste Punkt des Höhenrückens erreicht. Auf Naturstrassen und einem kurzen Singletrail geht es an zahlreichen Windrädern vorbei zum Mont Crosin. Die Dinger sind weitherum sichtbar und sorgen auch für eine ordentliche Geräuschkulisse...

Chasseral vom Mont-Soleil aus
Mont-Soleil auf 1250 m
Viele Windräder auf dem Mont-Soleil
 
Die Tour ist bereits dreistellig geworden. Auf der Passhöhe des Mont Crosin nehme ich den Wanderweg zur Bise de Cortébert. Der Abschnitt nach "Au Chalet" führt zuerst singletrail-ähnlich durch Unkraut, dann leicht ansteigend über eine zertrampelte Wiese. Wenig begangen und nicht unbedingt der Weg des geringsten Widerstands. Offenbar bevorzugen viele Wanderer das Teersträsschen, das unweit des Pfads verläuft. Bei der Bise de Cortébert folgt ein etwa anderthalb Kilometer langer Singletrail runter Richtung Courtelary. Dieser Trail hatte bei der Tourenplanung eine nicht unerhebliche Rolle: Wegen ihm habe ich die Fahrtrichtung umgestellt. Ihn auf dem Hinweg zu fahren, und somit mitten im Aufstieg Höhe zu vernichten, erschien mir irgendwie unnatürlich...
 
Also baue ich ihn eben auf dem Rückweg ein, auch wenn er dabei in die falsche Richtung zeigt. Der Trail ist ganz nett und flowig (abgesehen von einer kurzen Treppe), jedoch nichts Exklusives. Bin wohl zu verwöhnt von den Trails in unserer Region. Beim Downhill steigt die Temperatur spürbar. Erstmals seit längerem befinde ich mich wieder auf dreistelliger Meereshöhe. Zudem ist hier Sonnseite. Auf 919 m folge ich einem Forstweg, an dessen Ende gemäss Karte nochmals ein kurzer, Richtung Cortébert führender Singletrail sein soll. Doch da ist zu Beginn kaum etwas. Nur mit viel Fantasie erkennt man unter hohem Laub einen Trail. Am Ende ist dann aber doch noch was: riesige Dornen- und Brennnesselsträucher. Da braucht man zum Durchkommen kein Bike, sondern ein Buschmesser...

Auf der Abfahrt Richtung Courtelary
Schüss (La Suze) bei Sonceboz-Sombeval
Der Schüss entlang Richtung La Heutte
 
Das Berühren von Brennnesseln soll ja gut sein für die Hautdurchblutung. Insofern ist das hier wenigstens ein gesunder Tourenabschnitt. Ich kämpfe mich durchs Dickicht und bin froh, endlich wieder einen schönen Forstweg zu sehen. Das war nix. Eine Fehlplanung aus Unwissenheit. Und, hat mich das jetzt gekratzt? Ja, durchaus. Zudem muss ich dafür bluten. Aber beim Mountainbiking kommt man der Natur manchmal näher als gewollt. Unspektakulär geht es dann den Rest hinab, durch Cortébert und auf normalen Feldwegen Richtung Sonceboz-Sombeval. Hier folgt ein schöner Abschnitt durch eine kleine Schlucht der Suze (Schüss) entlang. Wenig später wird La Heutte durchfahren, dann erreiche ich Péry, wo eine letzte Pause angesagt ist. Es ist schon 18.00 Uhr geworden...
 
Zum Glück hat der Dorfladen noch offen. Im Anschluss geht es mit leichter bis höchstens mässiger Steigung durch eine weitere Schlucht aufwärts. Über 10 Kilometer braucht das Strässchen, um die knapp 500 Höhenmeter bis zum Wäsmeli auf 1102 m zu erklimmen. Unterwegs überquert man nebenbei Kantons- und Sprachgrenze, die nicht unbedingt identisch sein müssen. In Gegenrichtung lockt zwar eine lange Abfahrt; allerdings ist diese für Mountainbiker eher langweilig, für Rennradler hingegen wohl auch nicht der Hit, da überwiegend Naturstrasse. Die ersten 200 Höhenmeter der Wäsmeli-Abfahrt folgen auf Teer und Forstweg, dann nehme ich unterhalb des Bettlachbergs auf 902 m einen mir unbekannten Singletrail, der die Abfahrt etwas abkürzt, was solche Pfade ja öfter tun...
 
Mit nur gut 700 Metern Länge ist er zwar nicht gerade unendlich, schüttelt einen aber dennoch ordentlich durch und ist auch für einen bestenfalls durchschnittlich begabten Biker wie mich fahrbar und spassig. Allerdings sind die abendlichen Lichtverhältnisse etwas tricky. Nach dem Trail geht es mit der tief stehenden Sonne im Rücken Richtung Solothurn. Auch wenn es knapper als auch schon an der Stadt vorbei geht, kriege ich nichts davon mit. Schliesslich erreiche ich wieder die Aare. Wenig später zu Hause angekommen, brauche ich das Bike nicht zu waschen – abstauben genügt. Von den vielen Dornen- und Insektenstichen müsste ich eigentlich schon fast blutleer sein. Alles andere als blutleer war hingegen diese Tour...


Höhenprofil



Tourdaten: Weite 168,8 km / Höhe 3260 m / Fahrzeit 10:36 h
GPS-Aufzeichnung der Tour: Les Bois / Mont-Soleil
 

Freitag, 22. Juni 2018

Blau, blau, blau...

…strahlt der Himmel heute. Und der Enzian ist mir egal. Dass sich die zweite Junihälfte noch so schön präsentiert – diese Wette hätte ich ohne Wenn und Aber verloren. Heute ist die Luft dank Nordwind sehr klar und die Temperaturen angenehm. Bei rund 14 Grad starte ich am späteren Morgen. Vorsichtshalber ist auch eine Jacke in den Rucksack gewandert. Ich nehme wieder mal das Fatbike, die Harley unter den Mountainbikes. Da die Kette defekt ist, startet die Tour mit leichter Verrenkung über Wangen an der Aare. Mit neuer Kette geht es danach rüber und rauf Richtung Niederbipp und durch die Klus nach Balsthal...
 
Leider ist der Schaden bereits angerichtet: Die defekte Kette hat scheinbar das grosse Kettenblatt in Mitleidenschaft gezogen. Als ich in Niederbipp die Strasse queren will bzw. muss und mit etwas Druck ins Pedal trete, knallt es, und die Kette fällt vom Blatt. Ein Autofahrer weiss sofort Rat und hupt wie… wie ein Autofahrer halt. Doch zu beiderseitigem Entsetzen springt der Antriebsstrang dadurch trotzdem nicht zurück aufs Kettenblatt. Schade, aber es war bestimmt guter Wille. Sonst läge ja der Gedanke nahe, das Gehupe sei völlig unnütz gewesen. Egal. Der Himmel ist so blau wie selten, und ich fühle mich sehr gut...
 
Ein Sommertag, wie ich ihn liebe. Der Schweiss tropft nicht so stark wie auch schon. Richtung Osten, Süden und auch Westen sind jedoch ein paar dichtere Wolkenfelder erkennbar. Es scheint, als wäre Norden heute genau die richtige Wahl. Mit etwas Auf und Ab geht es von Höngen zum Hof Grossrieden, wo der Aufstieg zum Brunnersberg ansteht. Ein Uphill, den ich so gut wie nicht kenne. Zu unrecht. Alles auf Naturstrasse (mit zwei Gattern) klettert das Fattie brav den Hang hinauf. Auf den letzten paar Hundert Metern wird der Weg dann deutlich flüchtiger und steiler. Aber mit Verlusten fahrbar. Mit Blutverlusten, meine ich...


Burgruine Neu Falkenstein
Schloss Neu Falkenstein
Kühe auf der Jurawiese
Brunnersberg, 1180 m
Bergweg zum Matzendörfer Stierenberg
Unterwegs zum Matzendörfer Stierenberg
 
Ein Dornenstrauch hat sich dermassen in meinen linken Arm verliebt, dass er ihn kaum noch loslassen will und mir so eine ordentliche Kratzverletzung zufügt. Was sich liebt, das neckt sich. Alles halb so schlimm. Kurz geweint, Tränen und Blut abgewischt, und weiter geht es über den Brunnersberg. Etwas später sitze ich alleine auf der Terrasse des Restaurants Matzendörfer Stierenberg auf knapp 1200 m. Die 11 Grad fühlen sich mit dem mässigen Wind einigermassen kühl an – vor allem, wenn man nicht mehr in Bewegung ist. Dank der Sonne bleibt die Jacke aber dennoch im Rucksack...
 
Etwas später geht es an Kühen vorbei hinab zum Scheltenpass und hoch zur Hohen Winde auf 1204 m, die ich schon eine Weile verschmäht habe. Hier bin ich einige Minuten mit weiteren Kühen alleine, bevor eine Gruppe von etwa 15 Wanderern eintrifft. Von der Hohen Winde sieht man ins Val Terbi sowie auf Basel und Laufen samt Umgebung. An klaren Tagen erkennt man auch die Vogesen und den Schwarzwald. Heute ist es recht klar. Nach der kurzen Pause nehme ich den Downhill zum Vorderen Erzberg, wo mir ein paar schiebende Biker entgegenkommen...


Blick vom Matzendörfer Stierenberg ins Guldental
Blick ins Guldental
Kühe am Wegrand auf 1200 m
Kühe beim Matzendörfer Stierenberg
Fatbike auf der Hohen Winde
Hohe Winde, Blick Richtung Laufen
Kühe auf der Hohen Winde
Hohe Winde (Basel im Hintergrund)
Pfad von der Hohen Winde zum Vorderen Erzberg
Abfahrt zum Vorderen Erzberg
Aussichtsreicher Weg Richtung Passwang
Auf dem Weg vom Erzberg zum Passwang
 
Die nun folgende Strecke rüber zum Passwang kennt das Fattie bereits von einer Schneetour im Februar 2018. Ohne Schnee geht es allerdings etwas flotter über die Trails. Beim Passwang sind noch rund 1000 m Meereshöhe übrig. Ich nehme noch die wenigen Höhenmeter zur Wechtenegg, dann geht es definitiv runter. Die Umfahrung des Hofes Heiterberg ob Mümliswil auf einem nicht auf der Karte eingezeichneten Weg misslingt. Der eigentlich sehr schöne Singletrail endet direkt an der Rückseite des Hofes. Der Hund bellt sofort los, und der Bauer schaut um die Ecke. Was wird jetzt passieren?
 
Beisst der Hund zu? Oder wird sich der Bauer, nachdem ich so viele Kühe auf dieser Tour getroffen habe, als Holzbock entpuppen, der mich gleich ordentlich zusammenscheisst? Weder noch! Im Gegenteil: Der Mann ist sehr freundlich, beruhigt den Hund, öffnet mir das Tor, lässt mich über den Sitzplatz laufen und erklärt mir sogar, wo ich wohl falsch abgebogen sei. Das nächste Mal muss ich besser aufpassen, aber so ein abzweigender Pfad ist halt nicht immer leicht zu erkennen. Ich fahre hinab, passiere das Dorf Mümliswil, dann Balsthal...


Blick zum Hof Goris und aufs Dorf Mümliswil
Blick vom Beinwilberg (hinten Mümliswil)
Fatbike auf der Wiese
Grün und Blau auf der Wechtenegg
Blick Richtung Alpen von der Wechtenegg
Blick von der Wechtenegg auf Mümliswil
 
Einige Zeit später erreiche ich wieder die Aare und mache mich dann am Steinbachweiher vorbei an den Rest. Dass es am Ende über 80 Kilometer werden, erstaunt mich ein wenig. Dennoch frage ich mich, ob ich diesen Hammertag wirklich ausreichend genutzt habe. Die stille Antwort lautet schliesslich ja…
 

Höhenprofil
 

 
Tourdaten: Weite 83,0 km / Höhe 1830 m / Fahrzeit 5:37 h
GPS-Aufzeichnung der Tour: Hohe Winde / Passwang
 

Dienstag, 19. Juni 2018

No einisch rundume...

Endlich hat der Juni 2018 aus seinem Tief gefunden und arbeitet nun mit Hochdruck an schönem Wetter. Und ich habe das Luxusproblem, gleich zwei Tage für die aktuelle Tour zur Auswahl zu haben. Heute oder morgen, 26 Grad mit Bise oder 29 Grad ohne Wind? Die Entscheidung fällt nicht allzu schwer, auch wenn Bise für die heutige Tour nicht ideal ist. Aber es ist nicht der Zeitpunkt, um auf hohem Niveau zu jammern. Nichts wie raus. Um 09.00 Uhr startet die Tour, die ich bereits am 7. September 2015 in ähnlicher Form gefahren bin. Zuerst dem Inkwilersee entlang, dann ein Singletrail im Wald, durch Deitingen und weiter an die Aare. Dieser folgend, danach ein kurzer, hässlicher Abschnitt auf der Hauptstrasse, und schliesslich geht es bei Riedholz in den Wald, wo der Weg ansteigt...

In diesem Wald gibt es einen weiteren Singletrail, der allerdings zum Teil ziemlich ramponiert ist. Es folgt das Dorf Rüttenen, und schon geht es wieder in den Wald – diesmal für längere Zeit. Mit leichtem Auf und Ab fahre ich im Mittel auf zirka 700 m Höhe Richtung West bis Südwest. Weder von Solothurn noch von Grenchen bekomme ich irgendetwas mit. Es ist alles herrlich ruhig. Nur gerade einem Eichhörnchen begegne ich. Und dabei erschrecke ich deutlich mehr als das Tier, das mich nur anschaut, statt zu fliehen. Der Tag ist wohl selbst ihm zu schön, um zu hasten. Etwas später führt mich ein schmaler Waldpfad unauffällig über die Kantons- und Sprachgrenze...

Beim anschliessenden kurzen Downhill in die Combe bei Romont taucht zu meiner Rechten etwas überraschend ein üppiger, in den Trail hineinragender Brennnesselstrauch auf. Mit einem Schlenker weiche ich elegant aus – erwische dabei allerdings einen nicht minder üppigen Strauch auf der linken Seite. Damit wäre dies auch besprochen. Etwas roter als zuvor geht es leicht steigend durch das Dorf Romont, dann führt mein Weg weiter hinauf zum Bözingenberg oberhalb von Biel, wo auf rund 900 m erstmals der Bielersee ins Blickfeld rückt. Es folgt ein cooler Singletrail, dann ein ausgewaschener, vorübergehend etwas breiterer Weg runter nach Frinvillier oder zu Deutsch Friedliswart. Knappe 400 Höhenmeter sind somit wieder vernichtet...
 

Blick durch die Bäume auf Plagne
Plagne
Blick vom Bözingenberg auf Biel und den See
Bözingenberg
Grüner Weg über die Höhe des Twannbergs
Twannberg auf 1070 m
 
In diesem "Loch" am nördlichen Ende der Taubenlochschlucht wollte ich nicht wohnen. Zumal auch noch Schnellstrassen und eine Bahnlinie den Ort einkapseln und überspannen. Rasch geht es wieder hinauf Richtung Magglingen. Hier fahre ich an der Sportschule vorbei, dann folgen noch ein paar weitere Höhenmeter zum höchsten Punkt der Tour auf 1092 m, der völlig unspektakulär auf einem Forstweg liegt. Die Bise weht mir leicht in den Rücken und verwehrt mir so die angenehme Kühlung. Aber das Jammern auf hohem Niveau wollte ich ja unterlassen. Jetzt geht es erst mal runter über den Twannberg. Dabei habe ich mal breitere, mal schmale Wege unter den Stollen. Die Twannbachschlucht ist kein Ziel, zumal dort ein Veloverbot gilt...

Stattdessen bewege ich mich dem Hang entlang weiter leicht abwärts. Bei Schernelz endet der Wald und gibt den Blick auf den nahen Bielersee frei. Hier befindet man sich etwa 150 Höhenmeter über dem See. Der Blick darauf ist herrlich. Es folgt ein knapp drei Kilometer langer Singletrail durch den Wald parallel zum See. Zuerst führt der Pfad abwärts, dann leicht auf und Ab. Schliesslich finde ich mich in den Rebbergen bei La Neuveville wieder. Durch die Altstadt geht es an den See, dann einen Moment diesem entlang. Ein kurzer Abstecher in den Kanton Neuenberg bei Le Landeron, schon ist der westlichste Teil des Sees erreicht. Jetzt wechselt die Fahrtrichtung allmählich von West auf Süd...
 

Lamboing und Diesse mit Chasseral im Hintergrund
Plateau de Diesse
Blick durch die Rebberge auf Bielersee und Petersinsel
Blick bei Schernelz-Festi auf den Bielersee
Kleines Strandbad mit Dusche am Bielersee
Dusche am Bielersee bei Le Landeron

Ich folge dem Canal de la Thielle, welcher den Bielersee mit dem Neuenburgersee verbindet, passiere eine Brücke und folge dem Kanal, der jetzt Zihlkanal heisst, noch etwas weiter. Damit endet mein Ausflug in die frankophone Schweiz für heute. Die Sankt Petersinsel lasse ich diesmal aus. Stattdessen nehme ich die wenigen Höhenmeter zum Jolimont, der trotz seines Namens definitiv in der Deutschschweiz liegt, und fahre dann hinab nach Erlach. Hier ist es Zeit für eine Pause. Danach ändert bei Vinelz die Fahrtrichtung erneut, diesmal auf Ost bis Nordost. Das heisst, die Bise, die bislang kein wirklicher Partner war, wird jetzt zum Gegner. Und sie macht auch keinen Hehl daraus, mir das sofort zu zeigen...

Bei der kurzen Steilsteile zur Hofmannsfluh springt die Kette und sorgt beinahe für eine Abstuhlung. Das verursacht einen kleinen Kurzschluss in meinem Ego, der sich in einer gewissen Lautstärke bemerkbar macht. Wie jetzt? Die Gangschaltung des neuen Bikes beginnt schon beim dritten Einsatz Mätzchen zu machen? Die anschliessende Fahrt über den Singletrail auf der Hofmannsfluh bietet nochmals einige schöne Ausblicke auf den Bielersee, da ist kein Platz für Ärger mit der Technik. Nach kurzem Downhill streife ich das Dorf Lüscherz und fahre auf schönen Wegen Richtung Hagneckkanal. Sind tatsächlich schon die Kirschen reif? Scheint so. Das ging aber schnell! Eben war ich doch noch auf der Baselbieter Kirschblüten-Tour...


Altstadt von Le Landeron mit Jura im Hintergrund
Altstadt von Le Landeron
Pfad durch den lichten Wald auf dem Jolimont
Trail über den Jolimont ob Erlach
Bielersee vom Jolimont aus
Blick vom Jolimont auf den Bielersee
Blick vom Jolimont auf Erlach und Petersinsel
Erlach mit Schloss und Petersinsel
Altstadt von Erlach
Erlach
Hagneckkanal mit Wasserkraftwerk
Wasserkraftwerk Hagneck

Auf schmalem Pfad folge ich leicht erhöht dem Hagneckkanal und verlasse damit allmählich den Bielersee. Bei Hagneck überquere ich den Kanal, folge diesem noch etwas weiter und erreiche später ein mir bis anhin unbekanntes Dorf namens Walperswil. Hier ist vor allem der Dorfladen interessant. Danach geht es eine Zeitlang über die Ebene Richtung Lyss. Hier zeigt mir die Bise, dass sie ordentlich Haare auf den Zähnen hat (oder so ähnlich). Aber wenigstens kühlt sie dabei auch ein bisschen. Warm ist es, doch die 35 Grad, welche der Velocomputer anzeigt, sind allemal übertrieben. Mittlerweile ist es irgendwie schon Abend geworden. Und jetzt zur Stosszeit durch Lyss? Merci bonjour!

Die Kleinstadt ist leider gar nicht so einfach zu umgehen, und prompt fahre ich versehentlich etwas weiter in den Ort hinein als geplant. Nicht tragisch, aber mir ist jeder Meter zu viel. Meine sehr kurze Rennrad-Karriere endete am 18. April 1998 in Zollikofen, als ein alter Mann, Brillenträger mit schätzungsweise 15 Dioptrien, mit seiner tonnenschweren Blechkiste erst über einen Stopp und dann mich über den Haufen fuhr. Ein Trauma habe ich zwar nicht davongetragen, nur mein kaputtes Rennrad. Ersetzt habe ich es nicht mehr. Der Autolenker war aber auf jeden Fall noch fahrtauglich, hatte er doch kurz zuvor beim Optiker ein 30 Zentimeter hohes "E" aus einer Entfernung von einem Meter nahezu problemlos von einem "P" unterscheiden können. Aber lassen wir das...

Mein Lysser Streifschuss endet problemlos, und bald wird es der Alten Aare entlang auch schon wieder grün und ruhig. Die Joggerdichte nimmt ebenfalls dramatisch ab, je weiter ich mich von der Seeländer "Metropole" entferne. Schliesslich bin ich wieder ziemlich einsam unterwegs in Richtung Bucheggberg im Kanton Solothurn. Bei länger werdendem Schatten fahre ich an Schnottwil vorbei und nehme nochmals ein paar wenige Höhenmeter über die Hügel des Bucheggbergs. Höher als etwa 650 m wird es allerdings nicht mehr gehen. So allmählich meldet sich ein alter Bekannter bei mir: mein Hintern. Lange hat er sich nicht mehr beschwert auf längeren Fahrten. Was ist denn in den gefahren? Möge er doch bitte den Mund halten...


Pfad zur Brücke bei Hagneck
Trail dem Hagneckkanal entlang
Pfad der Alten Aare entlang bei Lyss
An der Alten Aare bei Lyss
Blick vom Bucheggberg Richtung Burgdorf
Im Bucheggberg nahe Aetigkofen
 
Nach dem sanften Auf und Ab durch den Bucheggberg geht es bei Kräiligen über die Emme, dann durch Obergerlafingen und Recherswil, wo verkehrstechnisch zu der Zeit nicht mehr viel los ist (und wohl auch sonst nicht so). Querfeldein nehme ich im Anschluss die restliche Strecke, bevor der Velocomputer kurz vor Schluss der Tour noch die 150-Kilometer-Grenze knackt. Schön wars...
 
Höhenprofil
 
 
 
Tourdaten: Weite 150,6 km / Höhe 2630 m / Fahrzeit 9:04 h
GPS-Aufzeichnung der Tour: Bielersee-Rundtour