Montag, 27. November 2017

Wenn die Englein singen...

Die Touren werden spärlicher, das Körpergewicht steigt, das Tempo fällt: Willkommen im Winter. Irgendwie fand der Herbst heuer gar nicht so richtig statt. Keine einzige typische Nebellage der Marke oben blau, unten grau. Und der November, der normalerweise für das Nebelmeer zuständig wäre, macht dieses Jahr einen auf Winter und geizt mit Sonne, wo er nur kann. Wer die Wetterprognosesymbole dieser Woche ausdrucken will, kann einmal mehr Farbe sparen. Blau und Gelb werden nicht benötigt, Grau reicht. Und die Wochenenden bestanden diesen Monat nicht aus Sonnabend und Sonntag, sondern Schiffabend und Schifftag...
 
Aber eben, man kann nichts ändern und sollte nicht jammern. Daher positiv: Heute liegen potenziell ein paar wenige Sonnensekunden drin, daher nichts wie los. Ich bin mal gespannt, wie ergiebig die gestrigen Schneeschauer waren. Die Verhältnisse da draussen gleichen wieder einer Pizza: Unten trocken und knusprig, in der Mitte viel Sauce und oben das Feinste. Ziel sind somit einmal mehr Höhen über 1000 m oder unter 700 m. Soll heissen trocken-knusprig oder fein. Auf die Sauce, sprich den Morast, kann ich verzichten. Und so beginnt die heutige Tour ganz ähnlich wie die vom 14. November...
 
Einmal mehr greife ich zum Bike mit Autopneus, wie mein Nachbar sagt, und mache mich auf den Weg nach Norden. Schnee liegt im Flachland wenig bis gar keiner, aber was wird mich in der Höhe erwarten? Ich fühle mich irgendwie nicht fit. Als wären die Beine plombiert. Fattie-Touren sind erfahrungsgemäss auf Dauer eher schlauchend als formfördernd. Umso mehr, wenn sie durch Schnee führen. Aber sie sind eben auch noch etwas anderes: geil! Nochmals nehme ich den Aufstieg zum Brunnersberg unter die Räder. Wenn meine Form hier nicht bessert, ist dieser Tag definitiv gebraucht. Und ja, er ist gebraucht, sogar mehrfach...
 
Erneut tauche ich ab etwa 1000 m in eine geniale Winterlandschaft ein. Wieder hat es minus 2 Grad, und wieder zeigt sich die Sonne mehrere Sekunden lang! Beim Zentner enden dann aber die Gemeinsamkeiten zur Tour vom 14. November. Heute bike oder vielmehr wippe ich rüber zum Matzendörfer Stierenberg. Es weht ein fieser Südwestwind, der den Schnee teils ordentlich verfrachtet. Wenige Meter muss ich hier durch den Schnee stapfen. Im Mittel liegen so 20 bis 25 cm, würde ich schätzen. In Wechten aber locker das Doppelte. Und jetzt kommt der Hammer: Für ein paar Minuten ist blauer Himmel zu sehen!


Fahr- und zuletzt Fussspuren im Schnee
Hof Zentner
Brunnersberg mit Hof Güggel im Hintergrund
Brunnersberg
Winterlandschaft beim Restaurant Matzendörfer Stierenberg
Matzendörfer Stierenberg
Matzendörfer Stierenberg mit Beiz im Hintergrund
Matzendörfer Stierenberg
Grasende oder eher schneiende Pferde
Pferde beim Vorderen Erzberg
Blick zurück zum Hof beim Vorderen Erzberg
Abfahrt Vorderer Erzberg
 
Beim Matzendörfer Stierenberg auf knapp 1200 m folgt eine kurze Tiefschneeabfahrt Richtung Scheltenpass. Beim Vorderen Erzberg geht es nochmals durch unberührten Schnee talwärts. Mit der fallenden Meereshöhe verliert auch die Schneedecke rasch an Substanz. Kurzzeitig befinde ich mich unter 900 m, wo sich die Temperatur knapp über den Gefrierpunkt mogelt. Ich folge dem Wanderweg Richtung Beinwilberg und Passwang, der eine Weile als Singletrail verläuft. Die geniale Schneelandschaft sorgt für Adrenalin, welches meine Müdigkeit etwas überdeckt. Es geht weiter zum höchsten Punkt der Tour, dem Vogelberg auf 1204 m...
 
Ich bin völlig platt und höre bereits die Englein singen. Die letzten Meter des steilen Aufstiegs kann man als Stehversuch gelten lassen. Je suis flattu, Stufe 4. Der Schneetrail über den Vogelberg ist dann aber wieder ganz nach Simon Ammann: voll geil. Einzig die Wolken einer ungebetenen Warmfront tauchen auf und trüben das Bild ein wenig. Aber solange die Temperatur unter dem Gefrierpunkt bleibt, ist die Welt doch in Ordnung. Ansonsten taucht dort oben jedoch lange nichts und niemand auf. Nur eine einzige Person kommt mir am Ende des Trails entgegen. Ein äusserst freundlicher Mann, der mein Gefährt begutachtet...


Vogelberg mit zerrissener Flagge im Hintergrund
Vogelberg, auf knapp 1200 m
Schneewechten am Passwang
Blick Richtung Osten
Winterlandschaft mit verschwindender Sonne
Blick nach Süden
Singletrail im Schnee auf 1200 m
Schnee-Singletrail über den Grat
In Mümliswil sind nur noch die Dächer weiss...
Blick auf Mümliswil und zu den Alpen
Fattie in seinem Element
Fattie-Pose auf dem Vogelberg
 
Die Zeit ist schon wieder viel zu weit fortgeschritten. Die Wasserfallen lasse ich einmal mehr ins Wasser fallen und nehme stattdessen die direkte Abfahrt Richtung Mümliswil in Angriff. Bis zur Wechtenegg noch weitgehend in unberührtem Schnee, dann folgt der unbeliebte mittlere Belag der Pizza. Ich muss wohl beim Downhill ständig gegrinst haben, fahre ich doch mit ordentlich Sand zwischen den Zähnen durch Mümliswil. Es muss sich auf jeden Fall um ein frohes und nicht ein leidendes Grinsen gehandelt haben. Denn der Sand im Getriebe, sprich die miese Fitness, ist mir jetzt sowieso ziemlich egal...
 
Meine Bike-Beleuchtung verfügt über ein sogenanntes Notlicht, das, wenn der Akku eigentlich leer ist, noch ein Minimum an Licht erzeugen kann. Genau auf diese Notreserve schaltet nun auch mein Körper um: Die Trittfrequenz sinkt, das Tempo fällt, aber ich fühle mich plötzlich wieder besser und nehme mit gedrosseltem Gang den unspektakulären Rest meiner Tour. Die nächste folgt bestimmt! Zu Hause sofort unter die Dusche. Und zum Nachtessen eine Tiefkühlpizza. Das passt irgendwie. Die Englein habe ich heute singen hören, aber wenigstens haben sie schön gesungen...
 

Nichts für Winterhasser
Herrliche Schneelandschaft...
Vogelberg auf 1204 m
Am höchsten Punkt auf gut 1200 m
Frisch verschneiter Waldweg
Verschneiter Waldweg am Passwang
 
Höhenprofil
 
 
 
Tourdaten: Weite 81,1 km / Höhe 1910 m / Fahrzeit 5:43 h
GPS-Aufzeichnung der Tour: Matzendörfer Stierenberg / Vogelberg
 

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