Mittwoch, 17. Juni 2015

Epiquerez-Freiberge

Kater Nero gab letzte Nacht alles. Mit dauerndem Hämmern an die Store bat er eindringlich um Einlass. Aber du kommst hier nid rein, nicht mitten in der Nacht. Du kannst bei dir zu Hause durch die Katzentüre, da gibts auch zu fressen. Schliesslich steht bei mir heute die "Königsetappe" des Jahres 2015 auf dem Programm, da tritt der Katzenfreund in mir für einmal etwas zurück. Am Morgen wartete das Tier dann ungeduldig vor der Tür und wurde sogar ausfällig:

Lass mich endlich rein!
Du sollst mich reinlassen, elender Bastard!
Er kann aber auch ganz lieb dreinschauen
 
Nach der morgendlichen Katzengeschichte geht es los auf eine Tour, die ich schon lange im Kopf hatte. Einige Male war ich schon mit dem Bike am Doubs und in den Freibergen. Dabei haben mich die Dörfer auf der anderen Seite des Doubs (z. B. Epauvillers) förmlich angegrinst, als wollten sie sagen: "Uns kennst du noch nicht, gell?" Dies will ich jetzt ändern.
 
Leider schaffe ich es in letzter Zeit nicht mehr, während den Ferien meinen A...llerwertesten frühzeitig aus dem Bett zu bewegen, so dass ich wieder erst um 09.00 Uhr losfahre. Es geht zuerst nach Wangen a. A., dann der Aare entlang und schliesslich via Balm die steile alte Balmbergstrasse hoch zum Weissenstein. Die Form scheint heute zu stimmen. Den Weissenstein spüre ich heute kaum, bin einfach plötzlich oben.
 
Ich nehme den Wanderweg runter nach Gänsbrunnen. Dieser Trail ist eigentlich nicht sehr schön: steil, bachbettartig, teils etwas rutschig. Aber allemal besser als die Strasse. Und für etwas hat man ja ein Mountainbike. Bald ist Gänsbrunnen erreicht. Jetzt folgt der hässlichste Teil der Tour: Auf der Strasse geht es nach Moutier. Bis hierher hätte man noch die Möglichkeit, die Strasse zu meiden, was ich normalerweise auch tue. Aber heute will ich möglichst rasch vorwärts kommen.
 
Bei Moutier wechselt die Himmelsrichtung von West zu Nord. Bis Courrendlin muss man fast die Strasse nehmen, will man nicht einen absoluten Marathon hinlegen. Und eigentlich ist die Gorges de Moutier landschaftlich auch ganz reizvoll. Beim Anblick des Tour de l'Horloge in Courrendlin kommt mir immer HD Läppli in den Sinn. Dieser Uhrturm ist im Film von 1959 zu sehen, als Läppli von Delémont aus irrtümlich nach Moutier marschiert statt nach Porrentruy...
 
Von Courrendlin bis Courroux gehts auf einem Nebensträsschen weiter. Ich gebe mir Mühe, Delémont möglichst nur zu streifen. Oberhalb des jurassischen Kantonshauptorts spüre ich ein leichtes Säuern in den Beinen. Nein, bitte nicht schon jetzt, es geht noch weit! Über die Hochebene von Haute Borne und Les Côtes fahre ich zum Col des Rangiers und weiter zum Mont Russelin. Beim Hof Danville führt ein Singletrail, der eigentlich keiner (mehr) ist, runter an Doubs.
 
Doubs 1
Doubs 2
Doubs 3
Blick auf den Doubs (Bild einer früheren Tour) 1
Blick auf den Doubs (Bild einer früheren Tour) 2
 
Ein genialer Singletrail führt schliesslich dem Doubs entlang, den ich etwa vis-à-vis von Tariche verlasse, um den nächsten Aufstieg in Angriff zu nehmen. Zuerst passiere ich Epauvillers und erreiche dann das Plateau bei Epiquerez auf rund 900 m. Ich durchfahre schliesslich Epiquerez. Hinter dem Dorf sind plötzlich ganz komische Strommasten zu sehen, die mir verraten: Je m'approche de la France!
 
Gute zwei Kilometer geht es jetzt auf Schweizer Seite der Landesgrenze entlang nach Le Chaufour. Hier disponiere ich um: Ursprünglich wollte ich hier via La Heutatte wieder zurück an den Doubs. Ich beschliesse nun aber, die Grenze zu passieren und mache die Tour damit sprichwörtlich grenzwertig.
 
Grenzstein zwischen Epiquerez und Le Chaufour
An der Landesgrenze bei Epiquerez, Blick nach Osten
Blick zurück auf Epiquerez

Es geht weiter nach Chauvilliers und schliesslich nach Indevillers. Hier komme ich mir wie ein Promi vor. Die Leute grüssen freundlich aus allen Ecken heraus. Es gehen sogar Fenster und Balkontüren auf. Ist das einfach nur Zufall? Oder kann es sein, dass sich kaum mal ein Velofahrer hierher verirrt? Roger Federer bin ich ja nicht, auch wenn meine Frisur sich seiner immer mehr angleicht.

Grenzübergang bei Le Chaufour
Indevillers
Im Dorf Indevillers
Richtung Clairbief
Ausgangs Dorf
Nochmals Blick zurück
L
Leider ist in diesem Bereich der Tour der Teeranteil etwas hoch, aber ich wage als völlig Ortsunkundiger keine Experimente. Schliesslich war dies auch nicht so geplant. Und auf ein GPS verlasse ich mich hier lieber nicht. So nehme ich dann die kleine Strasse nach Clairbief, wo ich wieder ins Heimatland zurückkehre. Das Restaurant steht direkt an der Landesgrenze.

Über die Passerelle de Clairbief fahre ich zur anderen Seite des Doubs. Dann diesem entlang bis Moulin Jeannotat. Jetzt geht es hoch auf das Plateau der Freiberge. Hier habe ich ein vorübergehendes Formtief, zum Glück ist die Strasse nicht sehr steil. Etwas schnaufend erreiche ich Les Pommerats. Ich wähle den Weg direkt über den Hügel nach Saignelégier.

Grenzübergang bei Clairbief
Passerelle de Clairbief
Schöner Trail nach Moulin Jeannotat
Bei Moulin Jeannotat 1
Doubs bei Moulin Jeannotat
Bei Moulin Jeannotat 2
Blick von Les Platures auf Saignelégier
...und nochmals mit Zoom

Saignelégier ist nicht besonders gross, nimmt aber als Hauptort der Freiberge eine Zentrumsfunktion ein. Es ist Zeit, sich hier mal wieder zu stärken. Viele Läden werde ich heute nicht mehr sehen. Danach mache ich mich auf Richtung Les Emibois und anschliessend nach La Chaux-des Breuleux. Über Mont-Tramelan und Montagne du Droit geht es relativ zackig runter auf den Col de Pierre Pertuis.

Die Sonne steht schon sehr tief, als ich die letzte Herausforderung des Tages angehe: Den recht steilen Anstieg auf das 1294 m hohe Montoz-Plateau. So ganz taufrisch fühle ich mich nicht mehr. Auf der Hochebene herrscht eine fantastische Abendstimmung, die ich leider nicht bildlich festhalte.

Ich passiere den oberen Bürenberg und nehme den Singletrail runter zum Bürenschwängli. Es ist mittlerweile ziemlich dunktel geworden, und ich nehme auf dem Trail beinahe eine Bodenprobe. Es folgt die letzte namhafte Gegensteigung zum Wäsmeli, wo ich endgültig das Licht montieren muss. Der Rest der Tour wird zum Nachtspiel. Die Fitness bessert plötzlich wieder. Soll ich nochmal auf den Weissenstein? Der Entscheid lautet nein - einstimmig.

Höhenprofil

 

Tourdaten: Weite 189,7 km / Höhe 3940 m / Fahrzeit 12:16 h
Link zur Tour:https://www.google.ch/maps/@47.2837492,7.2164366,47703m/data=!3m1!1e3!4m2!6m1!1sz3ZCQAtXgYYE.k6wEIYik7IG8?hl=de

Hier noch ein paar weitere Bilder der Freiberge von anderen Biketouren:

 

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