Es ist unfair: Da habe ich im letzten Beitrag ein wenig schadenfreudig den Hitzesommer verabschiedet, um dem Herbst, der ständig als trüb, nass und kalt verun-glimpft wird, den Rücken zu stärken. Und jetzt fällt er mir in denselben, indem er diesen Grusel-September auftischt. Aber aller Anfang ist schwer. Es gibt noch Potenzial – für September und Herbst. Man muss nehmen, was geboten wird. Der heutige Tag ist für keinerlei Outdoor-Aktivitäten geeignet, ausser vielleicht Surfen. Aber nochmals: Man muss nehmen, was man kriegt. Ich schlage die Sturmwarnung in den Wind, steige Mitte Nachmittag aufs Surfbrett und fahre los...
So schlimm ist das doch gar nicht mit dem Wind, zumindest nicht hier im Flachland. Dennoch suche ich mir vorsichtshalber eine Route aus, die nicht durch allzu viele Wälder führt. Fahrradhelme schützen bekanntlich nicht gegen alles, was von oben kommt. Von oben kommt aber zum Glück nur ab und zu wenig Regen. Irgendwann stehe ich am Berg, genauer am Balmberg. Ich nehme die alte Passstrasse. Am Aufstieg spüre ich einen Druck in den Ohren, als sässe ich in einer Gondel. Viel Fantasie habe ich heute nicht: Ich fahre nochmals zur Röti. Bis jetzt würde ich die Bezeichnung "starker Südwestwind" gutheissen, aber Sturm?
Im Schlussteil der steilen alten Balmbergstrasse weht dann allerdings sprichwörtlich ein anderer Wind. Ein heftiger Gegenwind schlägt mir ins Gesicht. Da machen die gut 20 Prozent Steigung doch gleich viel mehr Freude. Aber immer schön das Positive sehen: Die Hitze ist heute definitiv kein Thema. Zudem tue ich mir das völlig freiwillig an. Und habe erst noch heimlich Spass daran. Beim Aufstieg vom Balmberg zum Weissenstein sind die rutschigen, weil nassen Steine ohnehin das grössere Problem als der Wind. Schliesslich erreiche ich den Weissenstein. Und jetzt verdient die ganze Sache langsam das Wort Sturm...
Mit halsbrecherischen 13 km/h rase ich voll gegen den Wind über das etwa 800 Meter lange Flachstück auf dem Weissenstein, dann dreht meine Fahrtrichtung um ziemlich genau 180 Grad. Nach allgemein gültigen physikalischen und meteorologischen Gesetzen müsste ich nun Rückenwind haben. Doch der Wind weht auf dem offenen Gelände schräg von hinten, eher aus Süden, bringt mich mehrmals vom Weg ab und auch beinahe zu Fall. Mehr schlingernd als fahrend erreiche ich zum zweiten Mal innert einer Woche die Röti. Trotz der diesmal guten Fernsicht hat es keine Wanderer und erstaunlicherweise auch keine Fallschirmspringer...
Saumässiges Septemberwetter |
Blick von der Röti über die erste Jurakette |
Lust auf Fallschirmspringen? |
Die Gondelbahn hat den Betrieb heute eingestellt. Es stürmt für unsere Verhältnisse ganz ordentlich. In Böen 90 bis 100 km/h gemäss Wetterstation. Nicht dass mir das nicht gefallen würde. Das Bike lege ich vorsichtshalber an einen Pfosten, damit es nicht vor mir auf dem Balmberg ankommt. Der Wind rüttelt ziemlich an meinem Stehvermögen. Mit rund 10 Grad ist es aber verhältnismässig mild – Warmfront sei Dank. Doch der Windchill ist nicht zu unterschätzen. Die Jacke ist nach etwa einer Minute erfolgreich angezogen. Hätte ich sie losgelassen, wäre sie wohl wenig später am Rocheturm in Basel hängen geblieben...
Vorsicht, Philosophie: Eine ganze Zeit lang lasse ich in luftiger Höhe meine Alltagsgedanken verfliegen und vom Winde forttragen und gelange zur Erkenntnis... Zurück zu den Tatsachen: ...dass es schon bald dunkel wird, also schleunigst weiter. Es folgt die Abfahrt zum Balmberg. Über den Niederwiler Stierenberg und das Hofbergli geht es runter nach Farnern, Rumisberg und Wiedlisbach. Bei letztem Tageslicht erreiche ich unsere Haustür. Ziel erreicht: Der Kopf ist ordentlich durchgelüftet. Biken bei diesen Verhältnissen ist zwar nicht vorbehaltslos zu empfehlen, aber irgendwie geil...
Höhenprofil
Tourdaten: Weite 57,8 km / Höhe 1590 m / Fahrzeit 3:28 h
GPS-Aufzeichnung der Tour: Röti
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