Heute scheint uns einer der wenigen Tage zu erwarten, an denen es einfach mal bedingungslos trocken ist. Somit komme ich endlich dazu, die Tour zu erledigen, die seit dem 7. Mai aufgeschoben wird. Etwa um 07.45 Uhr kommt das neue Bike zu seinem zweiten Einsatz. Es rollt zuerst nach Wangen, dann in westlicher Richtung der Aare entlang und schliesslich leicht aufwärts nach Flumenthal. Dort ist sein Fahrer noch immer restlos begeistert, dass die Aare Seeland mobil mit einer Ausnahme alle Bahnübergänge geschlossen hat und er eine kleine Dorfrundfahrt machen darf. Etwas später lande ich zum ersten Mal in diesem Jahr an der alten Balmbergstrasse und nehme die sehr steile Naturstrasse in Angriff...
Die Einfach-Schaltung des neuen Bikes hat den Vorteil, schön schlank zu sein – allerdings auch den Nachteil, nur noch über zwölf Gänge zu verfügen. Somit sind die Sprünge zwischen den einzelnen Gängen grösser als vorher. Und so schalte ich an den steilsten Stellen immer zwischen dem kleinsten und dem zweitkleinsten Gang hin und her. Der eine ist mir zu leicht, der andere eher etwas zu schwer. Daran muss ich mich gewöhnen. Schlussendlich stehe ich nach einer bedächtigen Auffahrt auf dem Balmberg. Das nächste Etappenziel ist Gänsbrunnen. Statt via Weissenstein nehme ich heute den sehr schönen Trail durch den Schofgraben, den ich lange verschmäht habe...
Die Schofgraben-Linie ist eigentlich natürlicher, da man bis Gänsbrunnen nur drei Meter Teer fahren muss: nämlich beim Kreuzen der Weissenstein-Passstrasse. In der Schlucht ist es stellenweise sehr eng – Vorsicht wie Rücksicht sind hier umso mehr angebracht. Nachdem die Schlucht hinter mir liegt, geht es nochmals ein paar Höhenmeter bergwärts, dann wartet der Downhill nach Gänsbrunnen. Der Kanton wechselt von Solothurn zu Bern, die Sprache von Deutsch zu Französisch. Einige Kilometer später kann ich eingangs Moutier bei einem Tankstellenshop meine Getränkevorräte auffüllen. Danach folgt ein ganz kurzer Abschnitt auf der Hauptstrasse. Dort, wo diese nach Delémont abzweigt, biege ich auf einen ansteigenden Singletrail ein. Schlagartig wird es grün und ruhig...
Auf dem Trail lässt sich der Ortskern Moutiers prima umgehen. Am Ende ist noch ein Aussenquartier zu durchfahren, dann ist die Stadt der Schafböcke und Wildschweine (Béliers und Sangliers) für heute Geschichte. Perrefitte ist im Anschluss für längere Zeit das letzte Dorf, das ich heute sehe. Hinter dem Ort wartet ein kurzer, aber recht nahrhafter Aufstieg. Meine Hoffnung, dieser könnte zu der Jahreszeit noch barrierefrei sein (sprich die Gatter offen), zerschlägt sich rasch. Alles zu. Schätzungsweise sieben oder acht Gatter und Zäune sind zu öffnen, da kann kein wirklicher Fahrrhythmus aufkommen. Und von den etwas zahlreicher gewordenen Quellwolken hat leider keine den Mut, sich wenigstens kurz vor die Sonne zu setzen, die hier am waldlosen Hang ziemlich einheizt...
Trotz der vielen Barrieren ziehe ich diesen Aufstieg der Strasse zehnmal vor. Nach gut anderthalb Kilometern sind rund 300 Höhenmeter erledigt, und es geht mit moderater Steigung dem Hang entlang Richtung Les Ecorcheresses. Die Gegend wird allmählich etwas bikefreundlicher, indem immer mehr Übergänge den Weg säumen. So lassen sich Zäune und Gatter fahrend passieren. Allerdings passt der deutlich breitere Lenker des neuen Bikes nicht überall durch. Nach einem Wettrennen mit Kühen, die innerhalb eines Geheges mitrennen, erreiche ich oberhalb von Sornetan eine schmale Teerstrasse, die nochmals etwas ansteigt. Eine kurze Abfahrt, dann weitere 250 Höhenmeter hinauf, und es folgt oberhalb von Tramelan auf 1184 m der vorläufige Höchstpunkt der Tour...
Einige Kilometer Single- bzw. Wiesentrail führen in leicht erhöhter Lage an Tramelan vorbei nach Les Reussilles. Jetzt kommt allmählich Freibergefeeling auf: Weite Wiesen, die typischen Häuser und natürlich die Pferde, die hier auch im Wald frei herumlaufen und keineswegs scheu sind. Die weiten Landschaften, die man hier noch findet, verkommen in unserem Land des massvollen und nachhaltigen Wachstums immer mehr zur Rarität. Nachhaltiges Wachstum – eine Illusion, an die bekanntlich nur zwei Gruppen glauben: Idioten und Ökonomen. Aber lassen wir das. Mittlerweile sind ein paar dickere Quellwolken aufgezogen. Obwohl die Freiberge eine Gewitterküche par excellence sind, bin ich zuversichtlich, heute nicht in den Genuss einer vorzeitigen Dusche mit Discoeinlage zu kommen...
Die Luft ist einfach zu klar, sprich zu trocken. Schliesslich erreiche ich nach gut 75 Kilometern mein heutiges Ziel, den Etang de la Gruère, der nicht etwa mit dem Lac de la Gruyère zu verwechseln ist. Wenn es in den Franches-Montagnes so etwas wie einen Hotspot gibt, dann ist der genau hier. In der Tat ist auf dem Parkplatz bei der Sägerei so ziemlich jedes Kantonskennzeichen vertreten. Nicht auszudenken, wie das hier an schönen Wochenenden zugeht. Der Etang de la Gruère, seines Zeichens grösster Moorsee der Schweiz, ist in der Tat ein sehr schöner, fast etwas mystischer See. Irgendwie könnte man fast meinen, man befände sich in Kanada. Der eigentliche Weiher (Etang = Weiher, Tümpel) wurde einst für die nahe gelegene Sägerei gestaut...
Umrundet wird er nicht nur von einem hölzernen Weg, sondern auch von der 1000er-Höhenlinie. Ich folge dem See einige Hundert Meter dem Südufer entlang, mache ein paar Fotos, und entferne mich dann. Auf einem moorigen und entsprechend nassen Weg geht es zum Hof Le Gros Bois Derrière, dann auf weiteren Wiesenpfaden zurück nach Les Reussilles. Meine Getränkevorräte werde ich heute für einmal in Tavannes auffüllen und somit das wenig charmante Tramelan umfahren. Ganz kampflos lässt sich das Dorf aufgrund seiner Lage aber nicht umgehen; im Osten streife ich es noch und muss ein paar Meter auf Teer hinabfahren. Einheimische kennen vielleicht Schleichwege. Schliesslich geht es runter Richtung Tavannes, wo die erwähnte Trinkpause angesagt ist...
Das unscheinbare Bächlein, das durch Tavannes (deutsch: Dachsfelden) fliesst, trägt einen bekannten Namen: Birs. Diese entspringt am südlichen Ende des Dorfes. Nach der kurzen Pause wartet der gut 500 Höhenmeter starke Aufstieg zum Montoz-Plateau. Auf teils sehr einsamen Wegen geht es an einem alten Skilift vorbei zum höchsten Punkt meiner Tour auf knapp 1300 m. Die Fahrt über die Hochebene ist immer wieder schön, auch wenn (oder gerade weil) technisch völlig anspruchslos. Beim Oberen Bürenberg folgt dann ein schöner und wichtiger Verbindungsweg abwärts zum Bürenchopf. Auf diesem Singletrail überquert man nebenbei die Kantons- und somit auch die Sprachgrenze. Nach einer Gegensteigung von knapp 100 Höhenmetern stehe ich beim Wäsmeli auf 1104 m...
Alter Skilift oberhalb von Tavannes |
Unterwegs auf der Montoz-Hochebene |
Blick Richtung Solothurn nahe Lommiswil |
Der Rest des Abstiegs beginnt auf Teer, wechselt dann zu Singletrail und schliesslich zu Feldweg. Dann ist Lommiswil erreicht. Via Oberdorf, Rüttenen und Riedholz geht es um Solothurn herum runter an die Aare. Bei bereits ziemlich tief stehender Sonne nehme ich den Rest der Aare und später dem Inkwilersee entlang nach Hause. Der "Bad Leg Day" vom 21. Mai war heute kein Thema mehr, zumal meine Vorbereitung auch seriöser war. Etwas länger als geschätzt wurde die Tour, die bedrohlich an die 150 Kilometer heranreichte...
Tourdaten: Weite 146,9 km / Höhe 3120 m / Fahrzeit 9:54 h
GPS-Aufzeichnung der Tour: Etang de la Gruère
Höhenprofil
Tourdaten: Weite 146,9 km / Höhe 3120 m / Fahrzeit 9:54 h
GPS-Aufzeichnung der Tour: Etang de la Gruère