Das wechselhafte Wetter der letzten Tage war nicht wirklich inspirierend. Und doch stehe ich in diesem Mai bereits kurz vor dem 500. Bike-Kilometer. Am heutigen Pfingstmontag bin ich auch nicht richtig motiviert, aber der Appetit kommt ja bekanntlich beim Essen. Zudem soll das Wetter von morgen an ziemlich garstig werden. Und so starte ich ohne wirklichen Plan, lande irgendwann in Oberbipp und nehme den Aufstieg nach Wolfisberg. Die Temperaturen sind angenehm, die Luft sowie der Untergrund nicht allzu feucht. Also perfekte Bedingungen. Eigentlich...
Aber die Beine fühlen sich schon auf den ersten Metern miserabel an – als würde Essig durch die Adern fliessen. Aus der Werbung kenne ich zwar nur den Begriff "Bad Hair Day", doch meinen heutigen "Bad Leg Day" könnte die Werbeindustrie nutzen, um für Energieriegel zu werben, die in solchen Fällen etwa gleich viel bringen wie der "Bad Hair Day" dem Glatzenträger. Nach den Pollen der Essig. Toll. Mit schweren Beinen walze ich zur Schmiedenmatt hinauf und hille nordseitig down. Im Wald bei der Sollmatt kommen mir ein paar freundliche Reiter (auch die gibt es!) entgegen, kurz danach erreiche ich Welschenrohr...
Meine Beine tun so, als hätten sie sich ein wenig gelockert, aber vom Feeling her habe ich noch immer kein gutes Gefühl, wie deutsche Fussballer in etwa sagen. Ich verlasse das Dorf, fahre kurz dem Schattenhang entlang Richtung Gänsbrunnen, passiere dann die Hauptstrasse und wage den Aufstieg zur zweiten Jurakette. Hier ist an Sonn- und Feiertagen zumeist nicht allzu viel los. Ich fahre am Malsenhof vorbei hinauf zum Malsenberg auf gut 1100 m. An diesem Aufstieg wird sich entscheiden, ob meine Fitness heute wirklich einen auf C-Tag macht. Und ja, das macht sie. Ich knorze mich hoch, das muss selbst beim Zuschauen wehtun...
Zeugen habe ich jedoch eh kaum. Ausser zwei Wanderern und einem Herrn auf einem Sportsimulator (E-Mountainbike) begegne ich keiner Menschenseele. Die Beiz auf dem Malsenberg hat geschlossene Gesellschaft. Ich fahre über die Anhöhe zum Probstenberg und hinauf zur Brandbergegg, die mit 1184 m (knapp) den Höhepunkt meiner Tour markiert. Untergrund: meist Wiese, ab und zu ein flüchtiger Weg. Nach kurzer Abfahrt nähere ich mich der Mieschegg. Hier sind schon deutlich mehr Wanderer unterwegs. Wenige Meter geht es hinauf zur Tannmattegg, wo ich kurz innehalte und mir die Aussicht anschaue...
Die Vegetation hat hier oben noch April. Die Pollen sind jedoch für mich mittlerweile kein Thema mehr. Das mit den Pollen ist jetzt Essig. Oder anders gesagt: Heute liegt das Problem tiefer – nämlich in den Beinen statt im Hals. Würde man die Power meiner unteren Extremitäten in Excel eingeben, käme wohl die Fehlermeldung #NV heraus. Aber mögen die Beine heute noch so rebellieren: Es ist und bleibt ein cooles Gefühl, sich die Höhe anzusehen, die man aus eigener Muskelkraft erklommen hat. Wer nur dank elektrischer Hilfsmittel zum Höhepunkt gelangt, dem bleibt dieses sportliche Erfolgserlebnis verwehrt...
Nach der Pause geht es wenige Meter runter zur Oberen Tannmatt. Hier will ich einen mir noch unbekannten Singletrail erkunden, der via Untere Tannmatt Richtung Wäscheten hinabführt. Im Westen ziehen allmählich ein paar dicke Quellwolken auf, die Sonne verschwindet zeitweise dahinter. Also los von Rom. Der Trail ist ganz schön; im oberen Bereich leider eher etwas breit, unten dafür umso schmaler. Am Ende des Trails sind zwei Zäune zu öffnen (und zu schliessen), danach finde ich mich oberhalb des Hofes Wäscheten auf der schmalen Passstrasse wieder, die ich überquere...
Kurz darauf passiere ich einen irgendwie etwas mystischen Ort – eine Waldlichtung mit Weihern und einem Holzwagen, in dem anscheinend jemand haust. Drinnen liegt unter anderem eine Gitarre. Vielleicht musikalische Holzfäller? Alternatives Wohnen oder Wohnen im Grünen? Schliesslich nehme ich die restliche Abfahrt nach Matzendorf. Via Balsthal geht es zurück nach Hause. Die vorgesehene Umfahrung Niederbipps scheitert daran, dass dort heute ein Pfingstlauf stattfindet. Plötzlich findet sich der verwirrte Biker zwischen Startnummern tragenden Läufern und im Lautsprechergedröhn wieder. Und gewinnt den Lauf souverän...
Ich muss die Streckenführung leicht anpassen, was aber mein Programm nicht gross durcheinanderbringt. Den einen oder anderen schönen Trail baue ich noch in den Rest der Tour ein, bevor diese nach rund 80 Kilometern zu Ende geht. Irgendwie kam ich heute fast ein wenig ins Philosophieren. Die Tour hatte also durchaus Tiefgang, nicht nur die Fitness...
Höhenprofil
Tourdaten: Weite 80,2 km / Höhe 1740 m / Fahrzeit 5:11 h
GPS-Aufzeichnung der Tour: Schmiedenmatt / Brandbergegg
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