Montag, 7. Mai 2018

Auf Jungerntour...

Eigentlich stand heute eine Tour Richtung Westen im Fokus. Aber nach dem gestrigen Wetterbericht, der Gewitter in den Alpen und im Westen vorhergesagt hatte, disponierte ich kurzfristig auf Norden um. Dort sei nämlich gemäss besagter Prognose "nicht nur sehr sonniges, sondern auch stabiles Wetter" zu erwarten. Ende April habe ich mir ein neues Bike geleistet, mit dem ich mich nicht schon auf der Jungfernfahrt verschiffen lassen möchte. Kurzfristiges Umdisponieren grösserer Touren ist allerdings ein wenig so, als hätte man sich intensiv für eine Theaterrolle vorbereitet, um dann kurz vor der Aufführung noch umbesetzt zu werden. Zum Glück habe ich die heutige Tour bereits im letzten Herbst studiert, dann aber verworfen bzw. verschoben. Insofern ist nicht ganz alles überstürzt...
 
Kurz nach 08.00 Uhr endet die Schonfrist des neuen Bikes. Ein sanftes Einfahren wird es heute kaum geben; es steht die erste Spaghetti-Tour des Jahres auf dem Programm. Das neue Gefährt hat eine Einfach-Schaltung – soll heissen, nur noch ein Kettenblatt vorne. Dadurch entfallen der Umwerfer und somit auch der entsprechende Schalthebel. Und so will es die Macht der Gewohnheit, dass der linke Daumen zu Beginn immer wieder ins Leere greift. Mein Dreh- und Angelpunkt für "Nordtouren" ist Balsthal. Das ist auch heute so. Wenn ich mit einem neuen Bike unterwegs bin, achte ich noch stärker auf mögliche Gefahrenquellen. So endet auch die Situation mit einem Smartphone-Zombie (auch Smombie) glimpflich, der ausgangs Balsthal unverhofft vors Bike latscht...
 
Für diese ärmliche Spezies sehe ich übrigens eine Marktlücke: Wie wäre es mit einer "Kopf-hoch-du-Depp-App"? Mein Weg führt steigend an Holderbank vorbei nach Langenbruck und via Dürstel zum Chilchzimmersattel. Damit die Tour mit 1055 m noch einen würdigen Höchstpunkt erhält, nehme ich den kurzen Umweg zur Belchenfluh. Das Wetter ist super: Der Himmel ist wolkenlos, die Fernsicht recht gut. Es folgen die Abfahrt Richtung Birch und ein leichtes Auf und Ab über die Anhöhe zum Zunzgerberg. Hier steht ein etwas fader Dowhnhill auf einem Kiesweg nach Itingen an. Alles Wanderweg zwar, aber Insider kennen hier womöglich aufregendere Routen. Itingen ist ein unausweichlicher Einkaufsposten auf der heutigen Tour. Denn am Montag haben viele Bergbeizen Sonntag...


Blühender Raps unter blauem Himmel
Rapsfeld bei Niederbipp
Wiesenpfad führt in den Wald
Unterwegs nach Holderbank
Blick auf Langenbruck und den Beretenkopf
Ausblick beim Hof Gwidem
 
Nachdem die Vorräte aufgefüllt sind, geht es rasch wieder bergwärts Richtung Hersberg, einem Dorf, das sehr idyllisch (ab)gelegen ist. Die Datenqualität des teuren GPS-Geräts verdient einmal mehr glatt Note 5, allerdings in Deutschland. Eine ganze Viertelstunde und satte 4 Kilometer hat es mir bereits unterschlagen, da es ständig auf Autopause schaltet, obwohl es Geschwindigkeit registriert. Da wäre mein Grosi mit Schätzen genauer. Als ich bei Hersberg in den Wald einbiege, sehe ich sofort Sternchen. Es sind drei an der Zahl, die das Wappen im Wanderwegsymbol zieren. Hilfe, ich bin wieder mal im Aargau. Nach einer Abfahrt erreiche ich Magden. Das ist der Tiefpunkt meiner Tour, was in erster Linie topografisch zu verstehen ist. Das Dorf streife ich nur; rasch geht es wieder aufwärts...
 
Auf dem Fricktaler Höhenweg geht es abwechselnd auf Aargauer und Baselbieter Boden zum Sunnenberg mit seinem kleinen Aussichtsturm. In südlicher Richtung schiessen bereits markante Kumuluswolken in den Himmel. Ansonsten ist beim Wetter alles im blauen, bei meiner Fitness alles im grünen Bereich. Es folgt ein kurzer Downhill, dann geht es oberhalb von Maisprach vorbei Richtung Eigenried, einem kleinen Hochplateau bei Buus. Beim Hof Obereigenried weht eine USA-Fahne. Da hat sich offenbar jemand in der Landesflagge Trumpiert. So etwas wie eine geistige Umnachtung habe ich wenig später, als ich ungeplant zum Wischberg hinauffahre. "Belohnt" wird der Irrweg mit einem kurzen Singletrail, der wieder zur richtigen Route zurückführt...


Feldweg Richtung Lenzhof
Ausblick bei der Strickmatt
Magden, im Hintergrund Basel
Blick vom Sonnenbergturm
Hof mit USA-Fahne und altem Holzwagen
USA-Fahne beim Hof Obereigenried
 
Ein paar Höhenmeter sind zu erklimmen zur Roten Fluh oberhalb von Rothenfluh. Ein spassiger Trail führt erst der Fluh entlang, dann runter ins Dorf, wo ich noch nie war. "Rothenfluh" kannte ich bisher nur als Familiennamen. Es ist bereits 15.00 Uhr geworden. Der Dorfladen wird allerdings erst in einer Stunde öffnen, und die anscheinend einzige Dorfbeiz hat am Montag geschlossen. Wie bereits das Restaurant Asphof, an dem ich vor rund einer halben Stunde vorbeigefahren bin. Schade. Ich spüre ein zunehmendes Kratzen im Hals. Doch nicht schon wieder diese verdammten Pollen? Kann es sein, dass die Belastung heuer etwa zehntausendmal höher ist als in den letzten Jahren? Jedenfalls hatte ich dieses Gekratze und Gehuste noch nie so intensiv und vor allem so oft...
 
Es läuft immer gleich: Nach mehreren Stunden sportlicher Betätigung beginnt es im Hals zu kratzen. Es folgt ein Hustenreiz beim tiefen Einatmen, dann zerlegt es meine Fitness. Aber wisst ihr was, ihr Sch…pollen? Heute könnt ihr mich mal. Ich ignoriere euch einfach. Wie beim Auto: Wenn dir der Treibstoff ausgeht, fahre einfach ganz normal weiter. Merkt schon keiner. Nach einem kurzem Uphill, der mir zeitweise recht steil vorkommt, folgt ein flowiger Singletrail einer weiteren Fluh entlang. Dieser Pfad hat mich beim Kartenstudium immer wieder angelacht. Mir gefallen solche Fluh-Trails. Schliesslich geht es zwischen Wenslingen und Oltingen über die Anhöhe. Und apropos Treibstoff: Meine Getränkevorräte drohen früher als erwartet zur Neige zu gehen...


Rothenfluh von der Roti Flue
Rothenfluh
Singletrail auf der Fluh
Trail auf den Roten Fluh
Roti Flue, Blick nach Ormalingen und Gelterkinden
Blick Richtung Ormalingen
 
Eines werden die nächsten zwei Bergbeizen auf meiner Route mit den letzten beiden gemeinsam haben, nämlich Montag geschlossen. Daher disponiere ich leicht um und fahre via Oltingen zur Schafmatt. Denn in Oltingen ist der Dorfladen offen, so dass ich neuen Treibstoff einkaufen kann. Der Hustenreiz beginnt sich zu verstärken. Zum Glück haben die Beine ordentlich Kraft und holen so noch ein bisschen heraus. So ist das Leiden etwas weniger ausgeprägt als bei niedrigerem Formstand. Dennoch fällt mein Tempo sukzessive. Düstere Aussichten: Die Bewölkung im Süden wird immer bedrohlicher. Und ich fahre direkt in Richtung der schwarzen Wand, die mir schon verdammt nahe vorkommt. Gewitter in den Alpen, hiess es. Sind die Alpen wirklich so nah? Ich habe erhebliche Zweifel...
 
Nach der Schafmatt geht es einsam über die Höhe zur Birmatt. Ich fahre an der Froburg-Beiz (Montag geschlossen) vorbei und nehme den Downhill nach Trimbach. Es folgt der kurze Aufstieg zum Rumpel, wo das gleichnamige Restaurant ebenfalls Wirtemontag hat. Nach rassiger Abfahrt passiere ich Wangen bei Olten. Die Tour ist kilometermässig längst dreistellig. So allmählich können auch die starken Beine der Pollenallergie nicht mehr trotzen. Die verbleibenden Kilometer werden immer mehr zu Killometern. Aber selbstverständlich ziehe ich das grosse Ding jetzt voll durch. Die Pollen werden mich auch heute nicht stoppen, aber vielleicht ein Blitzschlag. Bei Wolfwil ist nämlich die schwarze Wand erreicht, obwohl Wolfwil meines Wissens nicht in den Alpen liegt...


Das im Grünen gelegene Dorf Oltingen
Oltingen
Rapsfeld mit Wald im Hintergrund
Blau-Grün-Gelb
Einsamer Weg schlängelt sich über eine Wiese
Einsamer Weg bei Bergmatten
Pfad auf der grünen Weide
Birmatt, Blick Richtung Norden
Blaues Mountainbike vor grünem Kornfeld
Das neue Mountainbike
Weg führt in Richtung eines Gewitters
Und plötzlich: Fahrt ins Gewitter (bei Kappel SO)

Gewitter und Föhn – die grossen Stärken der Wettervorhersage. Hustend versuche ich, auf die Tube zu drücken, doch bei Bannwil ist es soweit: Ich komme in den Genuss einer herrlichen Erfrischung mit Lightshow und coolem Soundeffekt. Genau die paar Minuten Irrfahrt zum Wischberg fehlen jetzt, um die Tour gerade noch ins Trockene zu bringen. Aber was solls. Ist ja nur Wasser. Und ein bisschen Strom. Und ein paar Hagelkörner. Und das Bike wäre sowieso irgendwann dreckig geworden. Wenigstens wird der Regen den Pollen was husten. Um den Wortwitz noch zu bringen: Am Ende bin ich schon etwas angepisst wegen der falschen Wetterprognose. Die Jungferntour mit dem neuen Bike ist dennoch gelungen. Und die Pollenseuche dürfte auch in diesem Jahr bis Ende September vorbei sein...
 
 
Höhenprofil
 
 
 
Tourdaten: Weite 149,5 km / Höhe 3240 m / Fahrzeit 9:32 h
GPS-Aufzeichnung der Tour: Zunzgerberg / Sunnenberg / Schafmatt
 

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