So langsam schreit mein Bewegungsdrang nach der zweiten Spaghetti-Tour des Jahres (= Tour ab ca. 130 Kilometern) – fehlt nur noch gutes Wetter. Und das ist wirklich Mangelware. Einen komplett trockenen Frühsommertag muss man heuer fast als meteorologische Sensation bezeichnen. Heute sollen aber zumindest für einige Stunden sonnige Verhältnisse herrschen, also nichts wie raus. Kürzlich erwähnte ein Cousin zufällig die Auberge du Theusseret am Doubs, ohne zu wissen, dass er mir damit gleich die "Inspiration" für meine nächste Tour liefert...
Nun gilt es, eine möglichst direkte Linie dorthin zu finden. Lange doktere ich daran herum: Erst soll es über Moutier gehen, dann über Péry-La Heutte... Schliesslich entscheide ich mich für den goldenen Mittelweg via Malleray. Kurz vor 08.00 Uhr starte ich Richtung Westen. Es ist neblig und enorm morastig. Im Wald fahre ich teilweise Schritttempo, um nicht schon zu Beginn etliche Kilo der braunen Sosse aufzuladen. Ich passiere Deitingen und erreiche kurz darauf das Kraftwerk Flumenthal, wo bereits meine Umfahrung von Solothurn beginnt. Der Nebel verzieht sich, die Sonne kommt zum Vorschein.
Mehr und mehr bergwärts führt mein Weg zum Wäsmeli ob Grenchen. Die Sprachgrenze naht – die Flurnamen werden zunehmend französisch. Über das Montoz-Plateau geht es hinunter nach Malleray. Das Dorf hat sich zu einem Knotenpunkt und wichtigen Verpflegungsposten auf meinen Freiberge-Touren entwickelt. Nach einer kurzen Pause fahre ich weiter nach Saicourt und steige via Bellelay hinauf auf die Hochebene der Freiberge. An Les Genevez vorbei führt die Route durch die typische Landschaft der Franches-Montagnes zum Etang des Royes, wo ich kurz verweile. Danach geht es um Saignelégier herum nach Muriaux.
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Beim unteren Bürenberg |
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Blick auf Malleray |
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Les Montbovats Dessous |
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Bei Le Petit Bois Derrière |
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Les Rouges-Terres |
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Freiberger in den Freibergen... |
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Etang des Royes |
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Weg am Etang des Royes |
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Pferde nahe Saignelégier |
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Der Feldweg bei Muriaux steht teilweise etwa 20 Zentimeter unter Wasser. Hier kommt mir eine ältere Frau mit einem Flyer entgegen. Sie spricht mich auf Französisch an. Sie bereue, diesen Weg gewählt zu haben. Nun, das ist gut nachvollziehbar. Dann will sie unter anderem wissen, woher ich komme und wohin ich gehen will. Mit meinem ziemlich eingerosteten Chuchichäschtli-Französisch versuche ich zu antworten. Zu meinem Erstaunen kennt sie Herzogenbuchsee. Die letzte Frage verstehe ich leider nicht mehr so wirklich. Verlegen antworte ich einfach mal mit "oui". Diese Antwort müsste eine gute Trefferquote haben...
Vielleicht hat mich die Frau ja gefragt, ob ich bescheuert sei, mit dem Bike von Herzogenbuchsee an den Doubs und zurück zu fahren. In diesem Fall wäre meine Antwort "oui" relativ gesehen nicht falsch. Kurz vor dem Downhill an den Doubs spricht mich ein verirrter Rennradler wieder auf Französisch an. Er möchte gerne nach Saignelégier. Ach Leute, mein Französisch hat Standschäden! Wieder mühe ich mich ab, merke aber rasch, dass es meinem Gesprächspartner nicht viel anders ergeht. Und tatsächlich, hier unterhalten sich zwei Deutschschweizer: Der Mann kommt aus Lyss. In Berndeutsch erklärt es sich dann deutlich einfacher.
Jetzt folgt die Abfahrt an den Doubs. Der erste Teil dieses Singletrails ist sehr schön. Etwas unsanft wird man nach etwa einem Kilometer direkt auf die Hauptstrasse ausgespuckt. Nach wenigen Metern Teer folgt der Mittelteil nach Belfond Dessous. Hier hat es viele Zäune und Gatter, zudem ist es matschig. Zum Biken nicht wirklich geeignet. Der letzte Teil ist wieder besser: Ein etwas bachbettartiger, ausgewaschener Pfad schüttelt einen nochmals gehörig durch. Vom Trail geschüttelt und vom Anblick des Doubs gerührt, erreiche ich Le Theusseret und damit die Landesgrenze.
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Weg von Muriaux an den Doubs |
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Doubs bei Le Theusseret |
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Le Theusseret |
Die Gegend ist herrlich, richtig wildromantisch. Sie drängt sich regelrecht zum Verweilen auf. Die Landesgrenze verläuft dem Schweizer Ufer entlang, der Doubs liegt somit vollständig auf französischem Boden. Nach einer Pause geht es weiter Richtung La Goule, wo der eigentliche Scheitelpunkt der Tour erreicht ist. Hier fahre ich kurz über die Brücke – einfach nur, um schnell in Frankreich zu sein. Dann nehme ich den Aufstieg nach Le Noirmont unter die Räder. Im unteren Teil öffnet sich ab und zu nochmals der Blick hinunter auf den Doubs...
Die schmale Strasse steigt meist mit deutlich unter 10 Prozent. Solche Steigungen liegen mir gar nicht. Viel Aufwand, wenig Ertrag würde man in der Geschäftswelt sagen. Nach etwa der Hälfte des Aufstiegs biege ich auf den Wanderweg ein. Dieser ist markant kürzer als die Strasse, aber natürlich auch entsprechend steiler. Er ist jedoch vollständig fahrbar. Schliesslich erreiche ich Le Noirmont, wo ich nochmals einkaufe. Dann irre ich noch etwas im Dorf umher, um ein Foto zu machen. Besonders fotogen ist die zweitgrösste Ortschaft der Freiberge meines Erachtens zwar nicht...
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Dem Doubs entlang... |
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Weg nach La Goule |
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La Goule, ehemalige Zollstation |
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Doubs bei La Goule |
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Aufstieg nach Le Noirmont |
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Blick zurück auf La Goule |
Weiter geht es auf die kleine Anhöhe bei Peu Girard. Hier verfahre ich mich kurz und lande beinahe in Les Breuleux. Durch Wiesen und Wälder verläuft meine Route hinauf auf den Mont Crosin, wo immer mehr Windräder stehen. Über die Montagne du Droit fahre ich hinunter auf den Col de Pierre Pertuis. Der Weg führt häufig über Weiden und ist teilweise sehr morastig. Vor allem bei der Bise de Cortébert ist es ziemlich wüst. Nach dem Pierre Pertuis wartet noch der anfangs giftige Aufstieg zum Werdtberg, der sich am westlichen Ende des Montoz-Plateaus befindet.
Mein Schatten ist schon ziemlich lang, es kommt allmählich Abendstimmung auf. Über die Hochebene bike ich ostwärts zum oberen Bürenberg, wo ich schnell einkehre. Die Kantonsgrenze passiere ich dieses Mal auf einem kurzen, aber genialen Singletrail. Danach folgen noch knapp 100 Höhenmeter Gegensteigung, und schon ist das Wäsmeli wieder erreicht. Immer dichtere Wolken überziehen den Himmel. Es geht hinunter nach Lommiswil. Via Langendorf und Feldbrunnen führt mein Weg um Solothurn herum an die Aare und leicht südlich ausschweifend nach Hause.
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Le Noirmont |
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Braun, schwarz, weiss... |
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Gegenverkehr... |
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Mont Crosin |
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Mont Crosin mit Chasseral im Hintergrund |
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Werdtberg |
Fazit: Die vielen morastigen Wege haben einiges an zusätzlicher Kraft und vor allem Zeit gekostet. Sie konnten allerdings nur die Kleider, nicht die Eindrücke der absolut genialen Tour trüben! Für Technikfreaks sind die Freiberge nicht unbedingt erste Adresse, dafür umso mehr für Landschaftsgeniesser und Pferdefreunde. Mein Vorhaben, in dieser Woche mindestens 300 Kilometer zu fahren, ist mit den zwei Touren gelungen. Geplant waren dafür aber mindestens vier. In diesem Sinne: Plan gescheitert – Ziel erreicht...
Höhenprofil
Tourdaten: Weite 172,4 km / Höhe 3550 m / Fahrzeit 11:40 h