Lange hat mein Umfeld mir ins Genick gehustet und geniest. Gut eine Woche habe ich mich gegen das Geschenk gewehrt, dann war es doch soweit: Auch ich durfte bei 33 Grad in die Waagrechte. Just zu einer Zeit, wo im Geschäft sehr viel los ist. Halsschmerzen und Husten bei brütender Hitze – etwa so absurd wie ein Hitzschlag im Winter. Seit dem 16. Juli war ich nur noch einmal auf dem Bike: am 23. Juli. Bin gespannt, welches Lied mein Körper heute anstimmen wird: "I Feel Good" von James Brown? Oder "I Still Haven't Found What I'm Looking For" von U2? Bitte einfach nicht "Der Tod" von der Ersten Allgemeinen Verunsicherung...
Von der Erkältung übrig geblieben ist noch ein leichter Husten. Aber dort, wo es heute hingeht, wird der nicht gross stören. Es wird mir wohl eh niemand begegnen. Ausser vielleicht ein paar Fernseh-Pilger, die gerade unweit unterwegs sind. Ich wische die Spinnwaben vom Bike und trete um 09.15 Uhr kräftig ins Pedal. Dabei springt die Kette mit einem Knall ab. Ein Sturz auf dem ersten Meter einer Tour wäre eine Premiere, vor der ich mich jedoch mit einer akrobatischen Einlage, die von Nachbarn beklatscht wird, retten kann. Soll das etwa ein Omen sein für das, was heute kommt? Aber lassen wir das mit dem Aberglauben...
Auf den ersten Metern der Tour fühle ich mich super. Das ist nach meiner bisherigen Erfahrung eher ein schlechtes Zeichen. Aber eben, lassen wir das mit dem Aberglauben. Auch heute habe ich mir wieder ein Ziel ausgesucht, das sich nicht allzu viele aussuchen. Ich fahre erst mal nach Balsthal. Es hat noch einige Wolken bei angenehmen 17 Grad. Am Aufstieg zum Brunnersberg beginnen sich die Wolken langsam zu verziehen und der Schweiss zu tropfen. Mehrmals springt hier wieder die Kette vom grossen Kettenblatt. Was will mir das sagen? Dass ich nicht im grossen Blatt den Berg hochfahren soll?
Gemächlich und gemütlich geht es trotz Kettenproblemen hinauf bis auf 1190 m beim Hof Zentner. Hier wechsle ich die Kette. Nicht die am Bike – die am Jura. Es geht von der zweiten auf die dritte Jurakette. Da ich einmal mehr zu wenig Trinkbares eingepackt habe, und die Beizendichte im weiteren Tourenverlauf stark reduziert sein wird, nehme ich auf der Terrasse des Restaurants Matzendörfer Stierenbergs Platz. Zufällig am Tisch 13. Aber nochmals: Vergiss den Aberglauben! Offenbar wurde die Beiz kräftig umgebaut. In einem umfunktionierten Bauwagen neben dem Gebäude kann man übernachten. Coole Idee!
Nach kurzer Pause fahre ich über die Höhe des Stierenbergs, wo auf etwa 1199 m der unauffällige Höhepunkt der Tour erreicht wird. Ein Singletrail führt nun hinab zum Hof Rotlach. Auf meist flüchtigen Wegen geht es jetzt über die Höhen des kaum bekannten Schönenbergs – einsam und oft mit Blick vom Chasseral bis nach Basel. Ich geniesse es richtig. Nach einer Pause fühlt man sich offenbar wirklich besser. Gell, Herr Federer? In welchem Kanton ist man hier eigentlich? Gar nicht so einfach. Die Antwort lautet Jura. Einen Meter rechts des Wegs aber Bern. Nach einem kurzen Wiesen-Dowhnill erreiche ich den Hof Grande Schönenberg...
Jetzt passiere ich die Grenze zum Kanton Bern und bike durch den kurzen, aber recht wilden Hüsligraben zum Seehof – einer der wohl abgelegensten Gemeinden des Kantons Bern, die aus ein paar Einzelhöfen besteht. Obwohl hier mehrheitlich Deutsch gesprochen wird, steht "tourisme pédestre" auf den Wanderwegzeichen. Auch der französische Name des Dorfes, Elay, ist in den letzten Jahren verschwunden. Viele Wanderer oder Biker verirren sich ohnehin nicht hierher. Wer sich hier bewegt, sollte jedoch aufpassen: Immer wieder sind schlecht oder gar nicht markierte Drähte und Zäune über die Wege gespannt...
Durch eine weitere kleine Schlucht fahre ich später hinauf Richtung Rohrgraben. Hier begegne ich sogar jemandem, einem jüngeren Wanderer mit Rastalocken, der freundlich grüsst. Am Ende der Schlucht, auf 883 m, habe ich die Wahl, ob ich den Kleinen oder den Grossen Rohrgraben hochklettern will. Als ich das letzte Mal hier war, stand ich am Scheideweg. Jetzt stehe ich an der Scheidestrasse. Zwischenzeitlich wurden beide Wege geteert. Schade. Ich nehme den Grossen Rohrgraben, den ich mindestens 10 Jahre nicht mehr gesehen habe, und erreiche später den Probstenberg auf der zweiten Jurakette...
Über Forstwege und Singletrails geht es runter nach Welschenrohr, wo gerade eine Hochzeit stattfindet. Meine letzte Hochzeit für heute wird auf 1050 m enden, beim Hochkreuz. Hier folgt auch der letzte Abstieg des Tages bis an die Aare und der Rest nach Hause. Irgendwelche Fernseh-Pilger von SRF habe ich heute nicht gesehen. Dafür aber auffallend viele Sonnenblumen, die bereits die Köpfe hängen lassen. Das war letztes Jahr anders. Für mich gibt es heute keinen Grund, den Kopf hängen zu lassen. Ich habe mich überraschend gut gefühlt. Zu Hause angekommen, geht es ab unter die Dusche. Dazu Musik von James Brown…
Höhenprofil
Tourdaten: Weite 80,4 km / Höhe 2070 m / Fahrzeit 5:26 h
GPS-Aufzeichnung der Tour: Schönenberg
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