Die weiteste Januar-Tour aller Zeiten steht an. Tönt spektakulärer, als es ist. Denn schliesslich kann man den diesjährigen Januar gewiss nicht als das sehen, was er sein sollte: ein kalter Wintermonat nämlich. Daher wird das keine wirkliche Winterfahrt, sondern, je nach Geschmack, eine Herbst- oder Frühlingsfahrt. Heute und morgen sollen uns zwei Schönwettertage erwarten, bevor pünktlich auf den Februar wieder ein anderes Vögelchen pfeift: ein Wasservögelchen. Also unbedingt ausnutzen. Ich starte bei Nebel und minus 1 Grad Richtung Wynigen...
Diesmal brauche ich sogar die Handschuhe. Und das ist auch gleich der erste Wow-Moment – zugegeben mit etwas Ironie. Bereits nach wenigen Kilometern Fahrt gibt der Nebel vor Wynigen auf und macht einem strahlend blauen Himmel Platz: der erste wahre Wow-Moment. Dieser Vitamin-D-Schub ist sehr willkommen. Via Mistelberg nehme ich die Auffahrt zur Lueg und mache mich dann über Affoltern und Gammenthal auf den Weg nach Grünenmatt. Ausgangs Grünenmatt biege ich auf den "Allee-Singletrail" Richtung Ramsei ein. Auf dem Pfad steige ich kurz ab, um ein Foto zu machen. Plötzlich packt etwas von hinten meinen Rucksack...
Ein wenig erschrocken drehe ich mich um und schaue direkt in die Nasenlöcher eines Pferdes. Was fällt dem ein, unbescholtene Rentner derart zu erschrecken? Der Täter wird ebenfalls fotografiert. Dann geht es weiter nach Ramsei. Nach einigen Orientierungsproblemen finde ich im Anschluss Rüderswil doch noch (…) und fahre über einen kleinen Pass nach Niederbach. Hier wandern Jacke und Handschuhe endgültig in den Rucksack, es ist frühlingshaft warm. Via Schönholz, Siegenthal und Aetzlischwand geht es am Fischerhubel vorbei zu einer alten Bekannten: der Blasenfluh, die ich in letzter Zeit fast ein wenig massiere...
Die Hoffnung, der Weg dort hinauf könnte in der Zwischenzeit frei von Fallholz sein, ist nur leise und schwach. Und vergebens. Dieser Weg hat verständlicherweise keine Priorität bei den Räumungsarbeiten. Also kraxeln wir wieder ein bisschen. Auch wenn ich die Blasenfluh in letzter Zeit öfter besucht habe – etwas ist heute anders: das Wetter. Es ist einfach nur bombastisch und die Fernsicht ebenso! Der Januar 2018 will sich ziemlich scheinheilig davonschleichen, was ich ihm jedoch nicht verüble. Mit "Ende gut, alles gut" möchte ich ihn allerdings auch nicht rehabilitieren bei all dem, was er geboten hat...
Für die Blasenfluh-Abfahrt nehme ich den Singletrail Richtung Ofeneggalp. Mehrere Bäume liegen darauf, aber dicht beieinander und bereits ein wenig "bearbeitet", so dass das Ganze erträglich ist. Mit einer leichten Schlaufe fahre ich weiter hinab Richtung Oberthal. Nach einer moderaten Gegensteigung geht es recht steil nach Zäziwil runter (in der Region auch "Zäzipfupf" genannt). Hier war ich fast 10 Jahre nicht mehr. Eine lange Zeit. Apropos Zeit: Zeit für eine kurze Pause. Ich schicke eine SMS mit dem Inhalt "tätowieren" nach Hause...
Geschrieben habe ich zwar "Zäziwil", aber die Autokorrektur weiss es natürlich wieder besser. Prompt kommt "was, du lässt dich tätowieren?!" zur Antwort. Nachdem der Sachverhalt richtiggestellt ist, verlasse ich Zäziwil. Rasch folgt hinter dem Dorf die Steigung zum Tagesziel, dem Churzenberg. Ich passiere das verstreute Dorf Oberhünigen. Die letzten 200 Höhenmeter verlaufen dann im Wald. Schliesslich erreiche ich auf gut 1100 m die Krete, wo sich bei wolkenlosem Himmel eine phantastische Sicht auf die Berge öffnet. Der nächste Wow-Moment. Ein tiefgründiger. Es ist so hammerschön, dass man fast sentimental wird...
Nach einer so langen Zeit der Tristesse mit Sturm, Schiff und Nebel ist das eine regelrechte Genugtuung. Bei schönstem Panorama fahre ich via Aebersold nach Ringgis, mit 1168 m der Touren-Höhepunkt. Jetzt folgt der Downhill nach Bowil. Über einen schattigen, feuchten Wiesentrail geht es zum Hof Winterseiten, dann hinab zur Brüegg. Hier will ich einen Singletrail erkunden, der mir beim Kartenstudium immer wieder ins Auge gestochen ist. Als bereits nach zirka 65 Zentimetern die erste Tanne auf dem Trail liegt, überlege ich mir ernsthaft, die Strasse als Alternative zu nehmen. Das wäre dann Plan B. Mit "B" wie "blöd"...
Tourdaten: Weite 109,2 km / Höhe 2290 m / Fahrzeit 6:31 h
GPS-Aufzeichnung der Tour: Blasenfluh / Churzenberg
Denn schliesslich habe ich diese Abfahrt ja gerade wegen des Trails gewählt. Also werde ich das grosse Ding jetzt voll durchziehen. Und ich sollte es unter dem Strich nicht bereuen. Zwar liegt durchaus einiges an Botanik auf dem Pfad. Einzelne Bäume stehen zudem bedrohlich schief oder haben sich in anderen verkeilt. Ganz ungefährlich ist die Sache nicht. Der Trail fägt jedoch, auch wenn ich die nasse, steile Holztreppe am Schluss lieber zu Fuss bewältige. In Bowil zeigt die Kirchturmuhr bereits deutlich nach 15.00 Uhr, und mein Schatten zieht sich ordentlich in die Länge. Ich sollte langsam Gas geben...
Dem Schüpbachkanal entlang geht es an Signau vorbei nach Schüpbach, dann meist der Emme folgend bis vor die Tore Burgdorfs. Unterwegs schicke ich nochmals eine SMS nach Hause. Was wird die Autokorrektur wohl aus "Lützelflüh-Goldbach" machen? Ich hätte einen Vorschlag: Wie wäre es mit "Schnitzel-Pommes-Frites"? Oder vielleicht "Morgenfrüh-Goldfisch"? Aber nein, siehe da, die Autokorrektur versagt und sendet tatsächlich den Originaltext. Burgdorf umfahre ich wieder via Binzberg. Nach dem Downhill nach Bickigen stresse ich bei einbrechender Dunkelheit gemütlich die letzten Kilometer nach Hause...
Kaum zu glauben, dass ich zwischen Wynigen und Grasswil tatsächlich wieder in den Nebel eintauche. An exakt gleicher Stelle, wo ich vor einigen Stunden rauskam. Der Kerl hat sich offenbar die ganze Zeit über gehalten. Bei letztem Tageslicht komme ich zu Hause an. Was für ein Tag heute! Wow!
Höhenprofil
Tourdaten: Weite 109,2 km / Höhe 2290 m / Fahrzeit 6:31 h
GPS-Aufzeichnung der Tour: Blasenfluh / Churzenberg
Diesen Trail über Winterseiten muss ich bei Gelegenheit auch mal fahren ;-)
AntwortenLöschenIm Frühling macht es großen Spaß wieder einmal rauszufahren und sich in der Natur aufzuhalten. Ich persönlich möchte gerne wieder in das Wellnesshotel Meran und mir eine Auszeit vom Alltag nehmen.
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