Dienstag, 26. Juni 2018

Ab nach Westen...

Wieder ein perfekter Sommertag: stabiles Wetter, etwas Bise und maximal 25 Grad! Die schöne und angenehm temperierte Wetterphase will ich unbedingt nutzen, zumal in der Mittelfrist bereits wieder schwüles Gewittergedöns und Hitze angekündigt sind. Dann werden für mich keine grossen Sprünge mehr drin liegen. Um 08.30 Uhr startet der vierte Einsatz des neuen 2018er-Bikes bei moderaten 15 Grad. Meine Inspiration, sprich Zugrichtung, ist im Moment westlich orientiert. Genau wie beim Wetter könnte sich das aber bald ändern. Zuerst geht es in nordwestlicher Richtung an die Aare, dann fast schon beharrlich gen Westen. Zu meinem Erstaunen blühen schon die ersten Sonnenblumen. Irgendwie geht heuer alles so schnell...
 
Die Strecke gleicht zu Beginn derjenigen der Bielersee-Tour vom 19. Juni 2018. Oberhalb von Bettlach enden dann jedoch allfällige Gemeinsamkeiten. Hier fahre ich relativ steil hinauf Richtung Bettlachberg und komme sofort gehörig ins Schwitzen. Die Temperatur ist zwar noch angenehm, doch die Sonne heizt ziemlich ein. Der Schweiss zieht verschiedene liebens- wie auch merkwürdige Tierchen an. Vielleicht handelt es sich teilweise um aus fernen Landen importierte Exemplare. Jedenfalls fliegen mir hier Insekten um die Ohren, die wohl selbst Andreas Moser noch nie gesehen hat. Unterhalb des Bettlachbergs biege ich auf gut 900 m links ab, und die Steigung wird deutlich bescheidener. Durch die Ebenimatt geht es Richtung Stierenberg und weiter zum Wäsmeli unterhalb des Grenchenbergs...
 
Nach kurzer Abfahrt auf relativ breiter Naturstrasse fahre ich weiter bergwärts zum Bürenkopf. Der Forstweg geht am Schluss in einen mässig ansteigenden Singletrail über, der sich auf gut 1200 m auf einer Wiese im Niemandsland verliert. Das Gatter, das man hier öffnen muss, ist gewissermassen das Tor zum Berner Jura – befindet es sich doch direkt an der Kantonsgrenze. Ein kaum erkennbarer Weg führt hinab zum Oberen Bürenberg. Nochmals ein paar Höhenmeter aufwärts, dann verläuft der Weg auf knapp 1300 m einige Kilometer über die Montoz-Hochebene. Hier oben kommt man mit "Bonjour" und "Grüessech" etwa gleich weit. Viele Leute sind Bilingue. Verdursten muss man auch nicht: Regelmässig kommt man an einem Restaurant vorbei...

Frühe Sonnenblumen
Finde den Weg beim Grenchenberg
Montoz-Hochebene auf ca. 1280 m

Beim Werdtberg folgt eine etwas längere Abfahrt auf Wegen sämtlicher Beschaffenheit: Zuerst ein flüchtiger Wiesenpfad, später ein bachbettartiger Singletrail, ein Forstweg und der Rest auf Teer – so erreiche ich Tavannes, wo eine kurze Pause ansteht. Die nächste Steigung nach La Tanne folgt prompt, und nach kurzem Downhill streife ich Tramelan. Via Les Reussilles geht es erneut bergwärts. In dieser Gegend wird ziemlich fleissig geheut. Hoffentlich reagiert mein Körper sportlich darauf und nicht allergisch. Es ziehen allmählich einige Wolken auf. Mehr als Zierde werden diese aber kaum sein, die Luft ist zu trocken und der Himmel entsprechend tiefblau. Ein Sommertag par excellence. Der Boden ist furztrocken, die Traktoren wirbeln ordentlich Staub auf...
 
Auf einem wurzeligen Singletrail geht es wieder ein wenig hinab und schliesslich nahe La Chaux-des-Breuleux in den Kanton Jura. Hier folge ich längere Zeit der Mountainbike-Beschilderung. Mit leichtem Auf und Ab, vorbei an Einzelhöfen und durch die typischen Fichtenwälder, fahre ich meist auf Naturstrassen und Wiesenpfaden durch die Freiberge Richtung Westen. Nicht unbedingt bike-, aber pferdefreundlich ist die Route mit speziellen Weidetoren, die man auf dem Pferd sitzend öffnen kann und sich danach von selbst wieder schliessen. Die Landschaft wird irgendwie immer einsamer. Das Dorf Les Bois taucht zwar bereits auf dem GPS-Gerät auf; es muss also schon sehr nah sein. Dennoch ist weit und breit kaum ein Haus zu sehen. Das ändert sich jedoch, als ich über eine Kuppe fahre...

Tavannes
Unterwegs bei Les Breuleux
Unterwegs bei Chaux d'Abel
Bald müsste Les Bois zu sehen sein
Da erscheint es: Les Bois
Les Bois
 
Nach exakt 84 Kilometern ist das Tagesziel, Les Bois, erreicht. Oder Rudisholz, wie meine deutschsüchtige Kartensoftware das Dorf nennt. Hier muss ich unbedingt die Trinkvorräte auffüllen. Als die Kassiererin im Dorfladen CHF 27.50 für die drei Halbliterfläschchen verlangt, wünsche ich mir, meine Französischkenntnisse wären besser. Doch bevor ich mich zu einem "ça coûte cher" durchringen muss, bemerkt die Frau den Fehler und korrigiert auf CHF 4.50. "Bonne journée" und "pareillement" habe ich hingegen voll drauf und verlasse den Laden wieder. Les Bois ist die westlichste und südlichste Gemeinde des Kantons Jura und sorgt zusammen mit La Chaux-de-Fonds dafür, dass dem Kanton Bern seit knapp 40 Jahren etwa 200 Meter zum Grenzkanton fehlen...

Obwohl mir Les Bois gefällt, ist auch heute eher der Weg als das Ziel das Ziel (oder so ähnlich). Es scheint, als hätte das auf 1034 m gelegene Dorf auch schon bessere Zeiten erlebt. Zahlreiche Schilder mit der Aufschrift "à louer" oder "à vendre" sind vor den Lokalitäten zu sehen. Nach der Pause fahre ich durch die einsame Landschaft zum Hof Le Bousset, dann folgt die Steigung zum Mont-Soleil, wo sich sprichwörtlich (fast) alles um die Windkraft dreht. Sinnigerweise gibt es auf dem Sonnenberg aber auch ein Solarkraftwerk. Auf 1291 m ist der höchste Punkt des Höhenrückens erreicht. Auf Naturstrassen und einem kurzen Singletrail geht es an zahlreichen Windrädern vorbei zum Mont Crosin. Die Dinger sind weitherum sichtbar und sorgen auch für eine ordentliche Geräuschkulisse...

Chasseral vom Mont-Soleil aus
Mont-Soleil auf 1250 m
Viele Windräder auf dem Mont-Soleil
 
Die Tour ist bereits dreistellig geworden. Auf der Passhöhe des Mont Crosin nehme ich den Wanderweg zur Bise de Cortébert. Der Abschnitt nach "Au Chalet" führt zuerst singletrail-ähnlich durch Unkraut, dann leicht ansteigend über eine zertrampelte Wiese. Wenig begangen und nicht unbedingt der Weg des geringsten Widerstands. Offenbar bevorzugen viele Wanderer das Teersträsschen, das unweit des Pfads verläuft. Bei der Bise de Cortébert folgt ein etwa anderthalb Kilometer langer Singletrail runter Richtung Courtelary. Dieser Trail hatte bei der Tourenplanung eine nicht unerhebliche Rolle: Wegen ihm habe ich die Fahrtrichtung umgestellt. Ihn auf dem Hinweg zu fahren, und somit mitten im Aufstieg Höhe zu vernichten, erschien mir irgendwie unnatürlich...
 
Also baue ich ihn eben auf dem Rückweg ein, auch wenn er dabei in die falsche Richtung zeigt. Der Trail ist ganz nett und flowig (abgesehen von einer kurzen Treppe), jedoch nichts Exklusives. Bin wohl zu verwöhnt von den Trails in unserer Region. Beim Downhill steigt die Temperatur spürbar. Erstmals seit längerem befinde ich mich wieder auf dreistelliger Meereshöhe. Zudem ist hier Sonnseite. Auf 919 m folge ich einem Forstweg, an dessen Ende gemäss Karte nochmals ein kurzer, Richtung Cortébert führender Singletrail sein soll. Doch da ist zu Beginn kaum etwas. Nur mit viel Fantasie erkennt man unter hohem Laub einen Trail. Am Ende ist dann aber doch noch was: riesige Dornen- und Brennnesselsträucher. Da braucht man zum Durchkommen kein Bike, sondern ein Buschmesser...

Auf der Abfahrt Richtung Courtelary
Schüss (La Suze) bei Sonceboz-Sombeval
Der Schüss entlang Richtung La Heutte
 
Das Berühren von Brennnesseln soll ja gut sein für die Hautdurchblutung. Insofern ist das hier wenigstens ein gesunder Tourenabschnitt. Ich kämpfe mich durchs Dickicht und bin froh, endlich wieder einen schönen Forstweg zu sehen. Das war nix. Eine Fehlplanung aus Unwissenheit. Und, hat mich das jetzt gekratzt? Ja, durchaus. Zudem muss ich dafür bluten. Aber beim Mountainbiking kommt man der Natur manchmal näher als gewollt. Unspektakulär geht es dann den Rest hinab, durch Cortébert und auf normalen Feldwegen Richtung Sonceboz-Sombeval. Hier folgt ein schöner Abschnitt durch eine kleine Schlucht der Suze (Schüss) entlang. Wenig später wird La Heutte durchfahren, dann erreiche ich Péry, wo eine letzte Pause angesagt ist. Es ist schon 18.00 Uhr geworden...
 
Zum Glück hat der Dorfladen noch offen. Im Anschluss geht es mit leichter bis höchstens mässiger Steigung durch eine weitere Schlucht aufwärts. Über 10 Kilometer braucht das Strässchen, um die knapp 500 Höhenmeter bis zum Wäsmeli auf 1102 m zu erklimmen. Unterwegs überquert man nebenbei Kantons- und Sprachgrenze, die nicht unbedingt identisch sein müssen. In Gegenrichtung lockt zwar eine lange Abfahrt; allerdings ist diese für Mountainbiker eher langweilig, für Rennradler hingegen wohl auch nicht der Hit, da überwiegend Naturstrasse. Die ersten 200 Höhenmeter der Wäsmeli-Abfahrt folgen auf Teer und Forstweg, dann nehme ich unterhalb des Bettlachbergs auf 902 m einen mir unbekannten Singletrail, der die Abfahrt etwas abkürzt, was solche Pfade ja öfter tun...
 
Mit nur gut 700 Metern Länge ist er zwar nicht gerade unendlich, schüttelt einen aber dennoch ordentlich durch und ist auch für einen bestenfalls durchschnittlich begabten Biker wie mich fahrbar und spassig. Allerdings sind die abendlichen Lichtverhältnisse etwas tricky. Nach dem Trail geht es mit der tief stehenden Sonne im Rücken Richtung Solothurn. Auch wenn es knapper als auch schon an der Stadt vorbei geht, kriege ich nichts davon mit. Schliesslich erreiche ich wieder die Aare. Wenig später zu Hause angekommen, brauche ich das Bike nicht zu waschen – abstauben genügt. Von den vielen Dornen- und Insektenstichen müsste ich eigentlich schon fast blutleer sein. Alles andere als blutleer war hingegen diese Tour...


Höhenprofil



Tourdaten: Weite 168,8 km / Höhe 3260 m / Fahrzeit 10:36 h
GPS-Aufzeichnung der Tour: Les Bois / Mont-Soleil
 

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